MonatMärz 2016

Sleep is for the weak

„You know what, I feel really happy. Not just on the outside, but really, completely, sincerely, genuinely happy. Like the shadow inside my head is gone for a while.“ „Well, in America we have a word for that.“ „Which is?“ „Drunk!“

Aber das ist nicht wahr, ich fühle mich nicht betrunken. Okay, gut, in dem Moment, in dem ich das sagte, war ich betrunken. Aber ich dachte es auch am Tag danach. Und am Tag danach. Ich denke es fast jeden Tag, wenn ich im Sonnenschein zur Arbeit gehe. Mir geht es hier wirklich gut und zum ersten Mal in meinem Leben bin ich das, was man wohl im Allgemeinen zufrieden nennt.

Geschlüpft ist der Gedanke auf Chilääns Abschiedsrunde. Er schrieb „Um Acht in der Bar.“ dann schrieb er „Ich bringe noch wen mit.“ und dann „Ich rufe dich an, wenn ich losgehe.“ Bis Acht hatte niemand angerufen. Um halb Neun schrieb ich ihm eine SMS. Um Neun bekam ich die Nachricht, er sei jetzt unterwegs. Also setzte auch ich mich in Bewegung. In der Bar traf ich unerwartet auf Ami, der anscheinend die Begleitung darstellte, doch von Chilään keine Spur. Es stellte sich heraus, dass Ami seit c.a. anderthalb Stunden auf uns wartete, während sich Chilään fröhlich verspätete und ich Zuhause auf Neuigkeiten wartete. Na ja. Happens. Der Abend an sich verlief bierlastig, als ich an den Punkt kam, an dem ich mich ziemlich betrunken und fertig fühlte und bereit war zu gehen, lernten wir plötzlich die netten Russen vom Nebentisch kennen und ich sah mich dazu gezwungen, mit ihnen eine weitere Runde zu trinken. Wir verließen die Bar dann auf Aufforderung des Personals, закрываемся, wir schließen. Ups.

Samstag war auch so ein Abend. Ich war erst arbeiten, weil wir zu irgendeinem Event geladen wurden, auf welchem zwei meiner Mitvolontärinnen und ich dann gefragt wurden, ob wir Griechen seien. Klar. Jedenfalls wurden die Andere Neue und ich zum Essen eingeladen von ein paar Couchsurfing Leuten. Ich erwartete so fünf Personen. Wir waren c.a 25 und okkupierten das gesamte Restaurant. Es gab Hot Pot und ich habe mit Stäbchen gegessen und nach 30-minütigem Kampf hat es auch irgendwann geklappt, aber ich habe noch nie so lange gebraucht, um satt zu werden. Nach dem Essen verabschiedete sich die Andere Neue. Ich wollte eigentlich auch gehen, ließ mich aber „auf ein Bier um die Ecke“ überreden, schließlich waren wir nicht weit von meinem Haus entfernt. Aus einem Bier wurden zwei, auf einmal gab es Shots und als es dann hieß was nun? war ich plötzlich mit einem Russen, dessen Namen ich nicht wusste und einem in New York lebenden Chinesen, dessen Namen ich auch nicht wusste, der für mich einfach nur „der mit der verrückten Kokain-Story“ war, in einem schäbigen Hotel irgendwo im Zentrum der Stadt. Die verrückte Kokain-Story erklärt sich folgendermaßen: er vermietet im großen Stil Wohnungen über airbnb. In einer dieser Wohnungen lebte bis vor kurzem ein Mädchen, das auf einmal krass koksabhängig wurde, ein Loch in die Wand schlug, versuchte, vom Dach zu springen und dann ins Krankenhaus geliefert wurde. Sie wurde aus offensichtlichen Gründen rausgeschmissen. Das mit dem Hotel erklärt sich durch die Story: der Hong-Kong-Mann wollte mit dem Freund des Kokainmädchens telefonieren und die Geschichte klären. Derweil tranken der unbekannte Russe und ich seinen Alkoholvorrat aus. Wir wollten dann Freunde vom Hong-Kong-Mann in einer Bar treffen. Es stellte sich heraus, dass das auch meine Freunde waren. Ferner stellte sich heraus, dass die Bar zu voll war und wir deshalb nicht mehr eintreten konnten. Es war zwei Uhr morgens, wir wurden zum Salsa eingeladen und gingen dann doch weiter in einen Club. Dort trafen wir allerlei Proletariat, unter Anderem einen Typen aus Deutschland. Diese Deutschen, die sind aber auch wirklich überall. Kurzum, nach mehreren Stunden netter Unterhaltung und schwitzigen Tänzen zu schrecklicher Musik war ich dann so gegen Sieben im Bett. Guten Morgen.

Sonntag dachte ich dann: ich schlafe aus und dann lerne ich ein bisschen, aber im Endeffekt war ich mit der Anderen Neuen shoppen. Ich habe ein Kleid gekauft, ich liebe es, es ist warm, gemütlich und wunderschön. Am Montag habe ich mir einen Block gekauft, mich an die Neva gesetzt, meine Jacke ausgezogen, die Sonne genossen und gezeichnet. Entspanntes Leben, entspannte Freizeitbeschäftigungen. Auch entspannt: mein langersehnter Besuch ist endlich da. Kommunikationstechnisch gab es einiges Hin- und Her und ich habe bereits jetzt mein ganzes Guthaben verbraucht. Aber das macht nichts. Donnerstag gehen wir wieder mal ins Theater, diesmal gibt es Schwanensee. Aufregend. Samstag bin ich eingeladen, um klassische litauische Tänze zu lernen. Посмотрим. Wir werden sehen.

You’re brutal, man

Es gibt sicherlich bessere Fotos, aber ich wollte meinem Blog meinen Arbeitsplatz nicht vorenthalten. Durch dieses herrschaftliche Tor schreite ich seit Dienstag jeden Morgen, nachdem ich zwanzig Minuten am glitzernden Band der Neva entlang gelaufen bin. Nun, genau genommen wollte ich Montag anfangen. Doch als ich gut gelaunt am dvorzovaja ploschadj stand, stelle ich fest: das Tor ist zu. In meinen Erinnerungen wühlend wurde mir klar, dass die Eremitage Montags geschlossen ist, aber ich fand in meiner E-Mail keinen Hinweis auf einen Nebeneingang oder sonstiges. Die Website konnte ich nicht besuchen, weil mein Handy sie für einen Virus hielt. Also musste ich im Büro anrufen. Ich. Anrufen. Klar. Meine erste Frage also вы по-англиски говорите? – Sprechen Sie Englisch? – Нет. Verdammt. Also musste ich mein Anliegen auf Russisch darlegen, aber es hat anscheinend gut genug funktioniert, um die Antwort Seien sie morgen um Zwei nach dem Essen im Büro zu erhalten. Weil ich nicht wusste, was ich sonst mit meinem Tag anfangen sollte, ging ich erst mal Büchershoppen. Mit Erfolg, für c.a 25 Euro habe ich einen Haufen Bücher und Postkarten bekommen.
Als am Dienstag dann mein erster richtiger Arbeitstag begann, war ich natürlich ziemlich aufgeregt. Erleichtert hat sich für mich einiges dadurch, dass diejenige, die mich und die Andere Neue eingewiesen hat, aus Deutschland kam. Die Andere Neue auch. Langweilig war dann, dass wir in der Empfangshalle im Foyer rumsitzen mussten und Kindern eine Art Schatzsuche durchs Museum erklären mussten. Weil von uns dreien aber nur eine Person fließend Russisch konnte gestaltete sich das als schwierig bis unmöglich. Und als dann gegen Ende unserer Arbeit auch noch eine verrückte alte Frau auftrat, die permanent geredet hat und einfach in allem furchtbar anstrengend war, wusste ich: das wird kein guter Tag. Wurde es aber doch noch, denn im Anschluss waren wir Essen und sind dann zum Russian Speaking Club eingeladen worden, was zum Schluss doch noch ganz lustig wurde. Chilään ist auch endlich wieder aus Finnland zurück und hat uns begleitet – nur um mitzuteilen, dass er ab Montag für immer fortgeht, zum Studieren. In Helsinki. Oder so. Unendliche Trauer macht sich breit, aber was soll man machen.
Nun. Heute ist Freitag, und nach vier Tagen kann ich inzwischen auch den Kindern diese blöde Quest nahebringen. Es sind die kleinen Erfolge. Gestern war natürlich wieder Couchsurfing; ich habe auch die Briten eingeladen, aber sie sind aus Versehen ins falsche Café gegangen, also treffen wir uns wohl eher nächste Woche. Gestern auch ist mir dort etwas Fantastisches passiert. Ich kam nämlich spät, weil ich zuerst noch im Theater war, im Konzertsaal des Marinsky, was atemberaubend hätte werden können aber diesmal wirklich nicht mein Geschmack war – kurzum, ich find es nicht schade, dass ich kurz vor der ersten Pause gegangen bin. Jedenfalls kam ich an, Ami und die Andere Neue waren schon da und haben mir erzählt, dass tatsächlich nach mir gefragt wurde. Where’s your crazy German friend? Ich meine, das ist für mich aufregend. Ich war in der Schule immer eher die Oh Gott, muss die in mein Team? Person, und jetzt fragen Leute nach mir, weil sie mich sehen möcht. Doch damit nicht genug. Auf dem Weg zum Tisch wurde ich angehalten von jemandem, der mir doch ernsthaft mitteilte, ich sei eine Inspiration. Ich. Eine Inspiration! KANN SICH DAS JEMAND VORSTELLEN ICH NICHT BITTESCHÖN WEN ZUM FICK SOLL ICH INSPIREREN. Aber diesen Menschen, offensichtlich. Ansonsten war ich gestern krank. Ich bin mit Halsschmerzen aufgewacht und im Theater vor mich hingestorben. Heute gehts mir auf magische Weise wieder besser, aber muss es auch, wir feiern schließlich gleich Chilääns Abschied.
Also dann. За здоровье!

Under Construction

Mal ein bisschen Off-Topic Content:

Aus China stammend geht auf Instagram eine neue Beauty-Challenge herum, bei der man sich ein Blatt A4-Papier vor die Taille hält. Wenn das Papier größer ist als die Taille, Glückwunsch, dann hast du den neuen chinesischen Internet-Schönheits-Standard erreicht.

Natürlich gab es auch instantan eine Prostestaktion dagegen, bei der sich Menschen übergroße Kartons vor den Körper halten. Oder eben Bilder von Menschen, deren Taille eindeutig nicht hinter dem Blatt verschwindet. Prinzipiell ist das ja eine gute Sache, demonstrieren gegen den Schönheitswahn von jungen Mädchen, aber ist schon mal jemandem aufgefallen, dass das hauptsächlich zwei Kategorien von Leuten machen:
– die, die selbst schlank sind
– die, die fett sind.
Wäre ich dreizehn und mein größter Wunsch wäre ein Bauch schmaler als mein Collegeblock, würde mich das beeinflussen? Wohl kaum. Dass es nicht gesund ist, sich so herunterzuhungern oder zu trainieren brauche ich an dieser Stelle wohl kaum zu erörtern. Warum es allerdings gut und okay sein soll, dafür zu propagieren, dick oder sogar fett zu sein, verstehe ich hingegen nicht. (Und ich rede hier nicht von „ein bisschen zu viel auf den Rippen“ oder „pummelig“ – pummelig ist irgendwie süß) Es geht mir jetzt nicht darum, dass das nicht meinem ästhetischen Idel entspricht. Es geht mir darum, dass das einfach ungesund ist. Adipositas ist doch nicht erstrebenswert. Fühl dich wohl in deinem Körper! Ist eine schöne Message, okay, alles klar, keep calm, das haben wir verstanden. Aber wenn ich mich jetzt mit einem schwarzen Raucherbein fotografieren würde, würde mir keiner sagen, ich solle mich wohlfühlen. Wahrscheinlich hörte ich dann eher Dinge wie „Selbst Schuld, jeder weiß doch, dass Rauchen ungesund ist“. Aber okay, fatshaming ist böse, thinshaming ist irgendwie gerade noch so in Ordnung, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass über alledem doch das Wichtigste vergessen wird: liebe die Person, nicht den Körper.  (Bitte hier Bild mit tiefsinnigem Spruch einfügen.)
Die Tatsache, dass solche Challenges immer und immer wieder in den verschiedensten Formaten auftauchen, ist doch auch nur ein Beweis dafür, dass das ganze Protestzeug nicht hilft, weil es am völlig falschen Punkt und mit den falschen Mitteln ansetzt. Jeder weiß doch inzwischen, dass man sich in seinem Körper wohlzufühlen – hat. Denn wer nicht zufrieden ist mit seiner Figur wird so lange mit Motivationspostern bombardiert bis er sich glücklich seufzend mit einem Becher Eis in die Couch wirft. Morgen gehe ich ins Fitnessstudio.

Einmal Ja und zurück.

Das war also mein letzter Schultag. Wow. Ich bin ja ein bisschen überwältigt. Das ging jetzt doch alles ziemlich schnell. Ich hatte das zwar erwartet, aber wie schnell war dann doch etwas atemberaubend. Und es ist wahnsinnig viel passiert. In den letzten Tagen war ich dann auch unglaublich viel unterwegs und ich habe endlich meine Challenge erfüllt: mich mit den Briten zu betrinken. Gestern war nämlich St. Patrick’s Day und anlässlich dessen sind wir nach der Schule erst mal zum Lunch gegangen. Um zwei hatte ich dann mein erstes Bier getrunken. Also weiter in eine irische Bar, O’Hooligans, Fahnen, Luftballons und irische Hüte. Mehr Bier. Und Never Have I Ever. Aber wir konnten nicht bleiben, weil unser Tisch reserviert war, also auf in die nächste Bar. Und noch mehr Bier. Nun ist donnerstags aber auch immer Couchsurfing, also habe ich mich irgendwann verabschiedet und wollte mich mit dem Ami an der Metro treffen. Als ich aus der Tür trat fing es plötzlich an wie blöd zu schneien und zu regnen. Ich versuche also, angetrunken und vollkommen blind den Weg zur c.a. 1,5km entfernten Metrostation zu finden und brauche 40 Minuten. Na ja, passiert. Beim Couchsurfing dann noch mehr Bier, Salat und Pommes. Das Café schließt um elf, also wollte ich mit ein paar Leuten noch weiterziehen. 20 Minuten Fußweg. Ne doch nicht. Ami und ich verabschieden uns von den andern. Ich frage mich ja wirklich.. na ja, egal. Als ich zuhause ankam jedenfalls, hatte meine Gastfrau besuch, also gab’s noch ein Glas Sekt. Um eins war ich dann im Bett. Elf Stunden Suff und am nächsten Tag Schule. Wir waren dann auch nur zu zweit in der Klasse, aber hey. Es war auch alles ein bisschen emotional heute, war ja immerhin mein letzter Tag, also gab’s nach dem Unterricht auch eine kleine Abschiedsparty, mit Rede, Champagner und allem drum und dran. Ich habe sogar ein Zeugnis bekommen, siehe oben. Im Anschluss war ich mit den Britinnen 1 & 2 im Museum, wo wir noch einen anderen Briten getroffen haben. Zu viele Briten. Heute war ein wunderschöner Tag, der erste Tag, an dem sich Piter wettertechnisch von seiner bezaubernden Seite gezeigt hat. Als ich zur Schule fuhr, war die Neva exakt zur Hälfte gefroren, als ich nach Hause fuhr schwamm Eis darin – es sah atemberaubend aus, dazu dieser strahlend blaue Himmel, Sonnenschein, wow.
Heute war auch wieder Hockey – und ich habe mein erstes Tor gemacht. Yay! Was für ein Moment! Und Mittwoch war ich mit Ami in der Eremitage. Wir haben uns erst mal verlaufen. Aber macht ja nichts, dafür ist sie ja auch da, dafür ist sie so riesig. Ist ja kuschelig.
What is more: ein bisschen Gefühlsduseligkeit. Wenn ich so den ganzen Tag rumhänge und ausschließlich Russisch oder Englisch spreche, ist es schwierig bis unmöglich aufzuhören, auf Englisch zu denken. Dann gehe ich mir selber auf die Nerven, weil ich nicht dazu in der Lage bin, meine Gedanken exakt so auszudrücken, wie ich das jetzt gerne möchte und nicht zurück ins Deutsche wechseln kann. Even more: Sich gewählt ausdrücken zu können ist. so. verdammt. attraktiv.
Das war’s erst mal. Verwirrter Beitrag aus einem verwirrten Seelenleben.

P.S.: ich habe mein Zugticket nach Moskau und mein Flugticket nach Sochi gebucht. Shit is about to get real, man.

Von Pancakes, Feuern und Palästen

Und das Wochenende ist schon wieder vorbei. Meine letzte Schulwoche hat angefangen. Das Stimmungsbarometer geht auf und ab. Auf der einen Seite freue ich mich natürlich, das Praktikum anzufangen, aber auf der anderen Seite habe ich mich gerade gemütlich in dieses Leben eingerichtet. Ich habe langsam angefangen, mich an alles zu gewöhnen, mich an St. Petersburg und Russland an sich zu gewöhnen und mich hier wohlzufühlen. Ich fühle mich hier sogar fast ein bisschen Zuhause. Es ist schon interessant, in der ersten Woche war natürlich alles noch neu und spannend, aber die ganze Aufregung legte sich dann in den darauffolgenden Tagen und wich einem Gefühl, bei dem einen einfach alles ankotzt. Es ist irgendwie gemein, sich wieder komplett neu auf Dinge einlassen zu müssen, wenn man gerade irgendwo mit Herz, Kopf und Seele angekommen ist. Aber so ist das wohl.
Am Wochenende, genauer gesagt am Samstag, war ich wie angedeutet mit dem Ami und dem Typen aus Kassel in Puschkin. Es ähnelte schon einem kleinen Abenteuer, überhaupt dorthin zu kommen. Der Ami und ich hatten die Führung komplett unserem Freund überlassen, der uns mit seiner deutschen Effizienz beeindrucken sollte. Wir sind also bis zum Metro-Bahnhof Moskovskaya gefahren und wollten von da aus weiter mit der Marschrutka. Bis wir herausgefunden hatten, was das ist, wo es fährt, wohin es fährt und, vor allem, wie man es anhält verging eine halbe Stunde. Eine weitere halbe Stunde verging, bis wir verstanden haben, wo wir aussteigen müssen – zum Glück war es da noch nicht zu spät. In Puschkin angekommen sind wir dann durch einen großen, grünen Park spaziert und haben Paläste besichtigt. Ich denke, das ist eher nicht so das Winterding, ich kann mir aber vorstellen, dass es im Sommer wunderschön dort ist.
Gestern war dann auch der letzte Tag der Masleniza, eine ganze Woche, in der der Frühling begrüßt wird in dem man Unmengen an Pancakes isst (Ohja. Pancakes. Eine Woche lang.) und hinterher Menschen verbrennt. Der Ami hat mich eingeladen, mit ihm zu einem der vielen Brennpunkte (ha-ha) zu gehen, aber irgendwie haben wir nicht den richtigen Ort gefunden, sind stundenlang durch die Stadt gestreunert und an mysteriösen Metrostationen gelandet um im Endeffekt stundenlang teetrinkend in irgendeiner Bar zu versacken. Teetrinkend, weil ich mir vorgenommen habe, diese Woche nichts zu trinken, was bis heute auch wunderbar funktioniert hat. Aber meine Gastfrau hatte heute sehr viel Besuch und dementsprechend musste ich auch eins, zwei, drei, vier Gläschen Wodka mit ihnen trinken. Der Moment, den ich die ganze Zeit herbeigefürchtet hatte, ist gekommen. Ich fühle mich ein wenig entjungfert, aber es geht mir gut – wie man sieht kann ich noch tippen. Ich musste auch Kaviar essen – furchtbar ekliges Zeug. Ich bin froh, dass meine Abneigung dagegen einhellig zwar nicht verstanden, aber zumindest akzeptiert wurde.

Interessant: ich habe heute Nacht davon geträumt, dass mich irgendjemand dazu einlädt, mit ihm/ihr zu einem Masseur zu gehen. Als ich heute Mittag mit ein paar Freunden beim Lunch saß, hatte ich kurz überlegt, zu erzählen, dass ich endlich wieder träume und wovon ich geträumt habe, habe es dann aber verworfen, weil das jetzt nicht besonders interessant ist. Als ich nach Hause kam stellte mir meine Gastfrau einen Freund von ihr vor – einen Masseur, natürlich. Ich bekam dann auch meine Massage – ich habe also sozusagen die Zukunft vorhergesagt in meinem Traum! Aber das ist noch nicht alles. Als ich gestern mit Ami in der Bar saß, redeten wir, wie immer, über Gott, die Welt und alles. Irgendwann kamen wir auf das Thema spontane Erleuchtungen. Als ich heute am Küchentisch saß und mit meiner Gastfrau und dem Masseur sprach und als der Masseur plötzlich damit anfing, dass ja alles miteinander verbunden sei im Universum (und genau habe ich nicht verstanden, worum es ging), hatte ich genau so einen Moment, in dem man denkt: was mach ich hier überhaupt? Und warum bin ich hier? Und wie absurd ist das eigentlich, dass ich gerade in Russland bin, an einem Küchentisch sitze, Unmengen an Tee und Süßkram vernichte und dabei über irgendwelche meditativen Ideen rede? AUF RUSSISCH? Fast wie damals mit Conspiracy Guy irgendwo in Lettland.
Die Dinge wiederholen sich.

Selbstbild als Schildkröte

I’m going to slip into the sweet embrace of unconsciousness for the night.

(Oh Gott, ich hasse WordPress dafür, dass es dieses Bild abgeschnitten hat!)

Ein bisschen Kitsch darf auch mal sein. Die Sonne schien heute (zumindest hat sie es versucht). Als ich die Wohnung verließ war davon zwar nicht mehr so viel zu sehen, aber immerhin. Das Wichtigste ist: ich habe endlich meine Hausarbeit abgegeben! 14 Seiten Schwerstarbeit, aber am Ende ging es doch schneller als erwartet. Ich hoffe, es ist halbwegs okay – trotz des eklatanten Quellenmangels.

Gestern war ich wieder beim Couchsurfing-Event. Nach Dienstag habe ich beschlossen, die restliche Woche nüchtern zu bleiben, also trank ich Grapefruitsaft. Ich mag die Leute dort. Wir haben seit gestern auch einen weiteren Deutschen im Team, er war mit. Er kommt aus Kassel. Coincidence? I think not. Wir haben zusammen versucht, dem Ami zu erklären, was „Fick dich ins Knie“ bedeutet. Sein Kommentar: „I just graduated from a cocksucker to a kneefucker. That’s great, man!“ Ich beging an dem Abend auch den Fehler, den beiden mitzuteilen, dass ich nicht pfeifen kann. Auf meinem Weg nach Hause erhielt ich eine SMS: „Bist du sicher, dass du alleine nach Hause laufen kannst? Ich meine, wenn du in Gefahr bist, kannst du nicht mal Pfeifen!“, woraufhin ich, angekommen, erwiderte, dass ich es trotz aller Widrigkeiten Heim geschafft hätte und das Pfeifen gar nicht nötig hätte. Danach hieß es: „Das ist wie einer Baby-Schildkröte zu gratulieren, dass sie es ins Meer geschafft hat, ohne Französisch zu können. Die Möglichkeit war einfach nie gegeben.“ Yep, that’s me.

Man kann in Russland übrigens nicht schwarz fahren, es ist unmöglich. Sobald man in den Bus steigt, kommt eine Person und dreht dir ein Ticket an, es ist unvermeidlich. Sollte man es trotzdem irgendwie schaffen, muss man 500 Rubel Strafe zahlen. Das sind immerhin ungefähr sieben Euro, davon kann man sich schon mal ein AB-Tagesticket für Berlin kaufen. Was ich auch nicht verstehe, ist die Sache mit den Zebrastreifen. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob die Autos dort anhalten müssen, oder ob das mehr ein Vorschlag für die Fußgänger ist, dass hier doch ein geeigneter Ort sei, um die Straße zu überqueren. Für Ersteres halten die Fahrer zu selten, für Zweiteres zu oft. Ich hoffe ich bin schlauer, bevor ich endgültig abreise.

Als Letztes: morgen fahre ich mit Ami und Kassel-Mensch nach Puschkin. Das ist ein Distrikt etwas außerhalb der Stadt, wo einiges an Palästen und anderen schönen Dingen rumsteht. Ich bin gespannt.

Vom Fluchen und Fauchen und Reisen

„Sie reist quer durch die Welt, wenn’s sein muss mit ’nem Floß, aber Kassel ist zu weit.“

Mit diesem Vorwurf konfrontierte mich gestern ein Freund (hallo, Freund.). Und irgendwie hat er ja Recht. Man macht immer Urlaubsplanung, fährt hierhin, fährt dorthin (wenn man es denn mal tatsächlich tut), aber man macht so selten Pläne, um einfach nur seine Freunde zu besuchen. Sobald man einen Partner hat irgendwo weiter weg findet man auf einmal unglaublich viel Zeit, um durch die Weltgeschichte zu gurken, aber ich habe zwei Jahre gebraucht, um einmal nach Heilbronn zu fahren. Und nach fast zwei Jahren war ich auch immer noch nicht in Kassel. Eine kleine Schande. Ich plädoyiere für mehr Freundschaftsbesuche. Ich plädoyiere dafür, öfters absichtlich zu Konzerten weiter weg zu fahren, um seine Freunde zu besuchen. Und ich gestehe meine eigene Schande. Das war der erste Punkt des Tages.
Der zweite Punkt ist folgender: von „Darf ich mal deine Wangenknochen anfassen?“ bis „Ich mag genau diese eine Kurve da“ hab ich schon vieles über meinen Körper gehört. Doch dass mich jemand ausgerechnet wegen eines Muttermals am Hals attraktiv finden könnte, war mir dann doch neu. Gut, aber warum wundert mich das eigentlich? Weil ich immer dachte, das mit den Wangenknochen ist irgendwie unübertrefflich. Das war immer mein Liebling an merkwürdigen Komplimenten, aber ich glaube, es wurde damit abgelöst. Ich stelle mir gerade vor, wie jemand einen stark ausgeprägten Muttermal-Fetisch hat und der dann richtig enttäuscht ist von mir. So nach dem Motto „Oh Gott, das sah so vielversprechend aus!“ und dann kommt die nüchterne Erkenntnis, dass dieses „Attraktivitäts“-Merkmal komplett an mir vorbeigegangen ist.
Der dritte Punkt ist, dass ich herausfinden muss, warum ich in Russland so wahnsinnig schnell betrunken werde. Ich war Montag mit dem Chilään und Ami in einer Bar und nach drei Bier musste ich nach Hause gefahren werden. Drei Bier! Das ist doch nichts. Ich war in meinem Leben nicht so oft hintereinander betrunken wie in diesen zwei einhalb Wochen, die ich jetzt hier bin. Deswegen habe ich mir vorgenommen, diese Woche nüchtern zu bleiben. Auch wenn wir Chilääns letzten Monat in Russland mit Allem feiern müssen, was uns zur Verfügung steht (und wir haben Montag schon besiegelt, dass wir jetzt alle beste Freunde sind), man muss auch mal pausieren.
Punkt vier ist eine kurze Filmrezension. Ich habe meinen produktiven Katertag gestern mit einem Film ausklingen lassen und nach dem soviele Leute davon geredet haben, entschied ich mich für Whiplash. Er war langweilig und vorhersehbar von der ersten Minute an, aber immerhin nicht langweilig genug um ihn auszuschalten. Ich meine, ernsthaft? Hätte man mich nach fünf Minuten gefragt, wie der Film ausgeht, ich hätte genau das geantwortet. Es ist als würden die Charaktere mit ihren Redebeiträgen kontinuierlich selbst den Film spoilern. Ich hab es dem Ami erzählt und er hat mich für verrückt erklärt, aber dann hat er mir erzählt, dass er überlegt hatte, mich bei unserem ersten Aufeinandertreffen nicht „hey, wie heißt du?“ sondern „Glaubst du, dass du auf eine verrückte Art sterben wirst? Du siehst nämlich aus wie eine Person, die auf eine verrückte Art sterben wird“ zu fragen und ich habe seinem Urteil ein bisschen weniger Wert beigemessen. Was mir jedoch wirklich an Whiplash gefallen hat war die Szene, in der er diesen einen Typen aus seinem Orchester rauswirft mit den Worten „Verschwinde, sonst vernichte ich dich“. Ich versuche das ab jetzt öfter in meinen Sprachgebrauch einfließen zu lassen.
Also verschwinde. Sonst vernichte ich dich.

This was a triumph..

Morgen ist Frauentag. Aus diesem Anlass hat der Ami heute Rosen in der Schule verteilt. Und anschließend in der ganzen Straße. Ich musste mitkommen, damit er nicht wirkt wie ein hilfloser Junggeselle auf der Suche nach Anerkennung, aber ich glaube nicht, dass das viel gebracht hat.
Gestern war ich noch mal im Theater, diesmal Carmina Buhrana. Und auch das, wow. Ein Chor, ein Orchester, wahnsinnige Atmosphäre. Nur die Zuschauer, die sind ein bisschen nervig. Die einen finden ihre Plätze nicht, bis eine halbe Stunde nach Beginn der Aufführung. Bei den anderen klingelt ständig das Handy. Und wieder andere können nicht die Klappe halten. Aber so ist das wohl wenn man sich an öffentliche Plätze begibt, man kann Menschen nicht ausweichen.
Abgesehen davon haben wir heute neue Mitschüler bekommen und eine davon kommt aus Münster. Abgesehen davon, dass ich endlich mal wieder ein bisschen Deutsch reden kann, ohne, dass mich jemand auslacht (ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals sagen werde), gebietet sie auch der Invasion der „britischen Mafia“ (Zitat Dozentin) einhalt. Meine Gastfrau ist heute nicht da, weil sie über die Feiertage auf die Datscha verreist ist, also habe ich den Ami und die Münsteranerin gleich eingeladen, um all das Essen zu vernichten, das sie mir hinterlassen hat. Was gut geklappt hat. Aber den Kuchen, der schmeckt und riecht, als sei er in einem Rumfass geboren, den wollte niemand anrühren. Na ja. Dann eben nicht.

Russia Libre

Ich würde ja gerne fröhlichere Bilder beitragen. Aber der Himmel ist permanent grau und es sieht alles etwas trostlos aus. Vor allem aber ist es laut. Zu keiner Tages- oder Nachtzeit kehrt hier Ruhe ein. Egal wo man ist, man hört überall vorbeirasende Autos. Telefonieren auf der Straße ist beinahe unmöglich. Aber das Hockeyspielen war großartig. Ich habe zwar kein Tor erzielt, aber zwei Assists auf meinem Konto, was immerhin etwas ist für jemanden der fast fünf Jahre lang nicht auf dem Eis stand. Auch der Couchsurfing-Treff am Donnerstag war spaßig. Ich habe die wichtige, wenn auch fatale, Entdeckung gemacht, dass Cuba Libre sehr günstig sein kann – 200 Rubel (c.a. 2,20€)! Nun, glücklicherweise kümmern sich meine Freunde immer darum, dass ich irgendwie nach Hause komme.
Für das Hockeyspielen war der darauffolgende Kater nur nicht so ideal. Na ja. Selbst Schuld.
Gestern war ich im Marinsky, Romeo und Julia, Ballett. Ich bin ja eigentlich nicht davon ausgegangen, dass mir das gefällt, aber es war ziemlich atemberaubend. Herzerwärmend herzzerreißend. Romeo und Julia ist ja sowieso eines meiner Lieblingsstücke und die Atmosphäre war einfach der Wahnsinn. Tanja hat es für mich auch mal wieder zu gut gemeint und mir nicht nur ein, sondern gleich drei Tickets für verschiedene Aufführungen gekauft. So gehe ich heute Abend also zu Carmina Burana. Nicht, dass ich Zeit hätte (nicht, dass ich Zeit hätte für irgendwas), meine Hausarbeit will immer noch geschrieben werden (obwohl ich schon recht weit fortgeschritten bin inzwischen), ich habe Hausaufgaben und Extraaufgaben, genug zutun, aber na ja. Während ich gestern unterwegs war, hat Tanja mein Zimmer aufgeräumt. Sie ist wie die Mutter, die ich nie hatte. Ich versuche das einfach als solches zu sehen, auch wenn es sich natürlich trotzdem sehr unangenehm anfühlt, wenn eine prinzipiell komplett Fremde deine Sachen ordnet.. aber nun, ich kann ja jetzt auch schlecht etwas daran ändern.

Liebe, 24 Stunden

Und auf dem Asphalte stand geschrieben: LIEBE 24 STUNDEN. Und auf dem Asphalte ebenfalls stand geschrieben: ARBEIT FÜR MÄDCHEN. Und auf den Wänden stand DROGENABHÄNGIG? ALKOHOLPROBLEM? ES GIBT EINEN AUSWEG!

Die Russen wissen eben, worauf es ankommt. Liebe, Arbeit und Vergnügen, die drei Grundpfeiler des Lebens. Einerseits.

Andererseits: als ich mich heute auf dem Weg zur Schule befand, kam mir Trolleybus Nummer 11 Richtung ulitsa korablestroitelej entgegen. In fröhlichen Farben trug er an diesem Tag die Aufschrift „Спасибо за победу!“, danke für den Sieg. Daneben eine Friedenstaube mit den Worten „70 Jahre“. Ich bin nicht patriotisch, und ich bin nicht der Meinung, dass man mit einem Feiertag (09. Mai, Tag des Sieges) einem der schrecklichsten Kriege allerzeiten gedenken sollte. Vor allem dann nicht, wenn sich die Barbaren von damals als Retter von heute ausgeben, aber nun denn. Um es mit typischer turbostaatlicher Eloquenz auszudrücken: so ist das wohl, so ist das.

Nebenbei, Feiertag war gestern auch in meinem Leben. Nach einem Spaziergang durch die Straßen entschied ich mich dazu, Wareniki (gefüllte Teigtaschen) zu machen. Und nach den ersten drei, die wie immer missraten aussahen, kam mir plötzlich der Geistesblitz über die richtige Falttechnik. Kann sein, dass das die russische Aura der Küche war, jedenfalls bin ich jetzt erleuchtet. Und lecker waren sie! Ich bin stolz. Nach fünf Jahren der Unwissenheit, nach fünf quälend langen Jahren, in denen ich mich immer fragen musste: wie? WIE VERDAMMT?, ist es endlich vorbei.
Nun denn, heute Abend ist Couchsurfingevent und nächste Woche Dienstag ist frei, Tag der Frau. Ich gehe mit dem Ami, das wird bestimmt interessant. Vielleicht lerne ich einen reichen russischen Oligarchen kennen, heirate, stürze Putin, setze mich auf den Zarenthron und regiere Russland. Vielleicht.
Vielleicht tanze ich aber auch nur auf dem Tisch und wir singen alle Arm in Arm всё нормально, супер гут.

EDIT: wir haben wirklich супер гут gesungen. Feier ich.