Schlagwort

Das Neue bleibt beim Alten

Ich bin irgendwie fett geworden. Das ist Nummer eins. Aber okay, kein Wunder, wenn man kein Sport machen kann und das Essen besteht hier nur aus Salz, Zucker und Geschmacksverstärker.
Nummer zwei ist, dass ich gerade heute (mal wieder) gedacht habe ‚Schön, meine Mückenstiche sind endlich weg‘, da surrt schon wieder so ein Vieh des nachtens um mein Ohr herum.

Heute waren es über 20°C. Ich konnte es ja fast nicht fassen. Wir haben ein großartiges Dachterrassencafé entdeckt, das direkt bei uns um die Ecke liegt. Außerdem war ich Falafel essen bei Menschen, die ein Falafelrestaurant in ihrer Wohnung haben. Also, literally. Man geht durch einen Innenhof, dann noch einen, dann drückt man ein paar Türen ein und klingelt und dann steht man in einer Wohnung, die nach Tee und Falafel duftet, Katzen schmiegen sich an deine Beine und es ist alles ganz furchtbar urig.

Ach ja, und dann war da noch gestern. Gestern ist ein wenig eskaliert. Nach der Uni (Examen, bäh) textete ich Tanja, weil ich keinen Schlüssel hatte, denn ich dachte, vielleicht können wir Kaffee trinken gehen, dann muss ich niemanden belästigen. Aber Tanja antwortete nicht. Es war jedoch so schön sonnig und warm draußen, dass ich einfach nicht nach Hause wollte, also fragte ich Zoe, ob sie mit mir Mittagessen wolle. Wollte sie. Wir kehren also bei Dve Palochki ein und unser Blick streift 1,1 l Long Island Ice Tea. Nun, diese Geschichte mit überdimensional großen Long Island Ice Teas kam mir aus dem letzten Jahr noch irgendwie bekannt vor. „Dumme Idee“, sagte ich. „Ja, total“, fügte sie hinzu, „Wer bestellt schon sowas?“ „Wir?“ „Ja, ok.“. Aus 1,1 l Long Island Ice Tea wurde ein ausgedehnter Pub Crawl, bei dem wir 6 Bars und jeweils einen Gin Tonic pro Bar abrissen.

Zum Schluss waren wir im Poison, wie immer, sangen ganz fürchterlich und schief Mardy Bum und This Fire (ein Song, der irgendwie gar keinen Text zu haben scheint außer ‚This fire is out of control, I’m gonna burn this city, burn this city‘). Dann gab Zoe auf und ging nach Hause, ich ging zu Tanja. Jedenfalls wollte ich das, aber ich war noch nie da, und mein Handy hatte irgendwann den Geist aufgegeben, und ich war unsicher, wo ich hinmusste. Also klingelte ich einfach auf gut Glück irgendwo, wo ich ihren Wohnort vermutete. Die Stimme, die aus dem Fernsprecher ertönte, klang unbekannt und ich war ein wenig verunsichert. Noch verunsicherter wurde ich, als mir zwar die Haustüre, nicht jedoch die Wohnungstür geöffnet wurde und ich ein wenig verloren im Treppenhaus herumstreunerte. Als ich schon aufgeben wollte und die Stufen wieder hinunterstieg, erklang von irgendwoher gottgleich eine Stimme: Was, hat niemand aufgemacht? Versuch’s noch mal! Du musst lauter klingeln! In meinem betrunkenen Zustand und ohne offensichtliche Personen im Treppenhaus war meine erste Reaktion zunächst Verwirrung. Dann realisierte ich, dass ich neben einer dunkel getönten Glasscheibe stand, hinter der eine Art Concierge saß. Es stellte sich am Ende heraus – ich hatte die richtige Wohnung gefunden.
Doch mein Glück währte nicht lange, nach kurzer Einkehr traf Stacey ein und zwang mich, mit ihr Brücken gucken zu gehen. Zu dem Zeitpunkt war es 3. Nach einem Pub Crawl, der 6 Bars umfasste, mag das vielleicht früh klingen, aber wir haben um 4 angefangen. Stacey und ich jedenfalls gingen erst mal in eine Bar. In der ich mir jedoch nur ein Wasser bestellte, weil ich eine verantwortungsvolle Erwachsene bin. Wir sind dann zu den Brücken, nur um festzustellen, dass die Sonne zwar schon aufgeht, die Palastbrücke aber geschlossen war, und ich außerdem überhaupt nichts sehen konnte. Da ich nicht erwartet hatte, so dermaßen lange unterwegs zu sein, hatte ich nämlich nur meine Sonnenbrille (mit Stärke) mit. Ich habe also die ganze Zeit zwischen Dunkelheit und Scharfsicht oder hell und verschwommen gewechselt. Und versucht, Photos zu machen, aber mein Handy hat immer noch Epilepsie (das Display wird alle zwei Sekunden grau und verschwimmt, wie ein gestörter Fernsehbildschirm) und man kann nicht allzulange drauf starren.

Lange Rede, kurzer Sinn: gestern war spaßig. Wir sind dann noch ein bisschen an der Neva spaziert und heim, der Fluss liegt nicht weit von unserer Wohnung.

Oh, ich habe gerade die Mücke getötet.

Flauschige Riesen-Enten sind übrigens nicht prototypisch.

Ah, und Stacey und ich waren Sonntag im Kino und haben Wonder Woman geschaut. Danach haben wir „Eis für Erwachsene“ ausprobiert, also Eis mit Alkohol. Koko Loko hieß meine Kreation und schmeckte nach Kokosnusslikör. Stacey hatte irgendwas, das nach Stout schmeckte. Es war unerträglich süß und danach war ich tatsächlich irgendwie leicht angetrunken. Leicht genug um sich im Cornershop um die Ecke (höhö) noch ein IPA (Gangster) zu gönnen.

Tausend Worte gehen schnell um, wenn man über Müll schreibt wie Gefühle und was die Tage so passiert ist. Aber wenn man ein Essay über die Geschichte des Internets schreibt, dann fühlen sich 1000 Worte an wie eine Ewigkeit. Wo ich gerade davon rede, ich sollte noch ein Essay schreiben. Verdammt.

Ich habe heute auch eine Note gekriegt für meinen Russischunterricht hier (der schrecklich war), ich wusste nicht mal, dass der bewertet wird, aber ich bekam 8/10 Punkte, was auch immer das heißen mag.

Es gibt kein deutsches Verb für das Wort to litter.

Welsh is going great. Ich freue mich auf meine Radtour. Meine Pläne nehmen immer mehr Gestalt an.

Ich habe angefangen, 13 Reasons Why zu schauen. Ich habe das Gefühl, dass die einzelnen Folgen irgendwie nie zum Punkt kommen und dann sind sie zu Ende und man denkt sich so: und was ist jetzt genau passiert?

Ich muss immer noch Kram über Zypern übersetzen. Langsam bin ich Zypern-Experte, aber ich habe auch wirklich unglaublich wenig Motvation und es dauert ewig. Es ist nicht nur langweilig, das Problem ist, dass fast jeder Satz auf Englisch grammatikalisch so verzerrt ist, dass man überhaupt nicht weiß, worum es geht und man erst mal stundenlang darüber nachdenken muss. Oder die Satzstruktur ist invertiert auf eine Art, die im Englischen einfach keinen Sinn macht und wenn man dann fertig ist mit lesen muss man alles neu schreiben.

Zoe kann manchmal unglaublich engstirnig sein. Wir hatten heute eine Diskussion über Grammatik. Zoe sagte „Can you pass me the paper towels, please?“, woraufhin Stacey sagte „I don’t know, can I?“ und ich meinte „God, I hate it when people do that“ and Zoe said „What?“ and I said „Because you’re supposed to say ‚May I have the paper towels, please?'“, darauf hinweisend, dass es theoretisch gesehen grammatikalisch inkorrekt ist in diesem Zusammenhang ‚can‘ zu benutzen. Das hat sie überhaupt nicht eingesehen und gemeint, dass das ja jeder so sagte, und dann müsse es ja richtig sein, weil sich Sprache verändert. Und wir erwiderten dann ‚Ja, natürlich, es ist umgangssprachlich verständlich und wird nicht als Fehler interpretiert, nichtsdestotrotz ist es theoretisch gesehen einfach falsch‘. Das hat sie nicht verstanden. Dann meinte ich „Im Russischen zum beispiel Пошли anstatt Поидём zu sagen ist auch nicht richtig, aber es tun trotzdem alle.“ und Stacey fügte hinzu „Oder один или одно кофе“ – das Beispiel hat Zoe dann richtig gefuchst, sie meinte dann, dass один кофе einfach nicht richtig ist, obwohl das ja alle sagten, das klinge ja ganz schrecklich und Leute sollten grammatikalisch korrekter sprechen. Daraufhin habe ich mich dann mental in eine Ecke geschmissen und angefangen laut zu weinen. In Realität habe ich einfach meinen Laptop aufgeklappt und Vokabeln gelernt.

Das Witzige ist ja, dass das von einer Person kommt, die sich selbst für unglaublich klug und aufgeklärt etc hält. Ich mag Zoe wirklich gern – aber eben weil sie einfach ist. Ich erinnere mich daran, wie wir, als wir The Dutch Guy kennengelernt haben, eine Diskussion über die Zukunft und Roboter hatten. Das heißt, Vincent und ich hatten diese Diskussion und Zoe saß neben uns und hat zugehört. Und damit meine ich, dass sie wirklich genau gar nichts zu der Konversation beigetragen hat. Hinterher meinte sie zu mir, sie hätte das Gespräch sehr genossen und sie liebe es, so intelligente Unterhaltungen zu führen, es käme leider nur zu selten vor. Woraufhin ich mich wieder mental in die Ecke geschmissen habe, und vor meinem geistigen Auge leuchtete eine Reihe rotblinkender Fragezeichen auf.

Aber nun, die Selbstwahrnehmung mancher Menschen ist merkwürdig. Und meine eigentlich auch.

Was so Wunderliches passiert

Russland ist ja ein Land voller Merkwürdigkeiten. Ein Land voller Wunderlichkeiten, ein Land zum Augenrollen, Naserümpfen, Augenbrauen hochziehen.

Ich bin vor zwei Wochen umgezogen, raus aus dem Wohnheim, rein in die Kommunalka. Noch russischer kann man wohl kaum wohnen. Wir, das heißt meine Zimmermitbewohnerin Zoe und ich, leben hier zusammen mit fünf anderen Parteien. In der Küche stehen vier Herde, im Bad vier Waschmaschinen, und jeder hat seinen eigenen Toilettendeckel. Aber wir haben 25qm ganz für uns allein, plus Abstellkammer, und jetzt endlich auch Internet. Außerdem bin ich nicht mehr auf die Metro angewiesen, was wahrscheinlich das beste an der ganzen Sache ist. Nun, zumindest nicht, wenn ich nicht gerade zur Uni fahre. Die ist ja am anderen Ende der Welt.

Aber was passiert sonst noch so Seltsames?
Seltsam ist, wenn man an der Kasse steht, auf dem Band liegen Bananen, Reis, Brot, Wasser, eine Packung Gojibeeren (die merkwürdigerweise hier recht beliebt zu sein scheinen) und der Kassierer nimmt die Packung Gojibeeren, murmelt etwas Unverständliches und schmeißt sie einfach weg.
Seltsam ist, wenn man im Hof von einer Frau angequatscht wird, die dich fragt, wie sie den Akku in ihr Handy einzusetzen hat – es ist ihr gerade in der Treppe runtergefallen – es aber perfekt hinkriegt, und eigentlich überhaupt nicht auf deine Hilfe angewiesen ist.
Seltsam ist, wenn man sich mit Obdachlosen, die im Keller gegenüber wohnen, anfreundet, weil dein Kumpel nicht mit zu dir nach Hause durfte.
Seltsam ist, zu erfahren, dass man hier nach elf im Supermarkt keinen Alkohol mehr kaufen kann.
Seltsam ist, wenn man in seiner Stammkaraokebar rumhängt, jemand dir erzählt: „Hey, ich stell dir mal die und die vor, die ist auch aus Deutschland!“, und es stellt sich heraus, dass sie mit dir zusammen studiert.
Seltsam ist auch, wenn man in eben genannter Bar ist, von der Bühne runtergeht und auf einmal liegen auf deinem Tisch zwei Packungen Pistazien.
Seltsam ist ebenfalls, wenn man in der Bar gegenüber rumhängt und der Barkeeper einfach kommentarlos dein Bier die ganze Zeit nachfüllt – mit der Begründung, dass man ja gegenüber wohnt und wohl öfter vorbeikommen wird. Und man dann anstatt um zwei um sechs Zuhause ist.

Aber manchmal trifft man in dieser Bar auch jemanden, den man mag, jemanden, mit dem man sich dann später wieder trifft, ein paar schöne Momente teilt, dann um 8.00 morgens nach Hause kommt und Nudeln mit Ketchup essend in der Küche sitzt und plötzlich geht die Tür auf und dein Nachbar kommt rein und frühstückt. Du gehst ins Bett, stehst drei Stunden später wieder auf und bewaffnest dich dann mit Sonnenbrille und Safttrinkpäckchen, um dich mit deinen Freunden zum Sushi zu treffen.

Manchmal möchte man aber auch einfach nur einen Brief versenden und muss sich dann rechtfertigen, warum man kein Fotoshooting im Anschluss möchte und auch seine Nummer nicht dem Posttypen geben will. Manchmal steht man vor einer Bar, tauscht sich aus über Geschichten von sexuellen Übergriffen und dann kommt ein besoffener Typ vorbei und grabscht einfach deine Hüfte.
Manchmal ist man einfach nur voller Hass auf all die Leute, die zu blöd sind, die Metro vernünftig zu benutzen und überall im Weg rumstehen. Überhaupt voller Hass auf die Enge, denn egal, wo man gerade ist, wo ein Gang ist, da ist auch ein Mensch drin, der ihn komplett versperrt. Manchmal sind sogar die Gehwege so eng, dass man auf einer Seite warten muss, bis entgegenkommende Personen an einem vorbeigelaufen sind.

In manchen Momenten liebt man aber auch einfach nur seine Mitbewohnerin dafür, dass sie immer das gleiche kauft wie man selbst und dann drei verschiedene Packungen Granola und 20 Eier im Schrank stehen.

Und manchmal, da ist eben einfach nur alles irgendwie okay.

Double tired and extra drunk

Und zack. Ich kann’s nicht fassen. Acht Wochen um, einfach so, in einem Wimpernschlag. Morgen heißt es Abschied nehmen. Ich habe zum Glück jemanden gefunden, der mit mir in der Eremitage arbeitet und sich dazu bereit erklärt hat, meinen Koffer mit nach Berlin zu nehmen, also muss ich mir darum keine Sorgen mehr machen. Ein Punkt weniger. Ansonsten kann ich auch nicht fassen, dass seit meinem letzten Blogeintrag schon wieder eine Woche vergangen ist, es kommt mir vor wie gestern.
Am Wochenende sind merkwürdige Dinge passiert. Samstag war ich mit den Eremitage-Mädchen unterwegs. Aber davor war ich endlich beim Litauischen Volkstanz und es war ziemlich nice. Ich bin nur irgendwie dort versackt und wurde gezwungen ein paar Whiskey-Shots (srsly, wer trinkt Whiskey-Shots?) zu trinken und statt um Neun vor der Kirche zu sein war ich erst um zwanzig vor Zehn da. Die Andere Neue hatte dort gewartet und niemanden erreicht und schlussendlich beschlossen, wieder zu gehen. Und dafür bin ich extra dorthin gerannt, um niemanden zu finden. Also ging ich zu Miss Russia, die Besuch von ihrer Mutter hatte. Dank einer glorreichen Beschreibung meinerseits fand What’s-She-Called-Again auch ihren Weg zu Miss Russia’s Haus, das wir dann aber auch sogleich in Richtung Bar verließen. Dort beschloss What’s-She-Called-Again dann erst mal, dass wir ja Trinkschwestern seien und sie mit mir mithalten müsse, also bestellte sie sich kurzerhand vier Shots. Just in dem Moment betrat ein mir wohlbekanntes dunkles Gesicht den Raum in Begleitung zweier Menschen, die ich nicht kannte. Wir haben dann alle zu unserem Tisch eingeladen, was keiner erwartet hätte wäre wohl, dass ich mich mit Amis „neuer Freundin“ so gut verstehe, aber es war Liebe auf den ersten Blick. So weit, so normal. What’s-She-Called-Again und ich beschlossen irgendwann, dass es jetzt Zeit für dmc ist und wir gingen raus, nur um dem Spanier aus der Schule in die Arme zu laufen. Ups. Nach Küsschen links, Küsschen rechts zog er aber wieder seiner Wege und What’s-She-Called-Again und ich waren wieder allein – so allein wie man eben sein kann, wenn man von einer Horde hechelnder Russen umkreist wird. Na ja. Jedenfalls war dann der allgemeiner Konsens, in diesen Club zu ziehen, den der eine Typ aus der Eremitage vorgeschlagen hat, aber wir durften nicht rein, weil wir keine High-Heels anhatten. Miss Russia hatte dann aber einen Alternativvorschlag, der dazu führte, dass wir einmal quer durchs Stadtzentrum laufen durften. Jetzt darf man raten, wem wir wieder zufällig begegnet sind. Das gleiche Spiel also wieder von vorn; hey, wollt ihr nicht mitkommen? Und sie kamen mit und Ami redete wieder kein Wort mit mir und ich verstand mich wieder blendet mit seiner Mätresse. Ich sollte nicht Mätresse sagen, das klingt abwertend und so ist es nicht gemeint, aber es war zu dem Zeitpunkt eben Fakt. Nun ja. Im Club lief gute Musik, Spaß war da, Tanz war da, ich wurde vom Personal aufgefordert auf der Bar zu tanzen, was ich dankend ablehnte und um fünf wollten wir dann langsam heim – war halt der Plan. Aber die Brücken waren oben. Also mussten What’s-She-Called-Again, Taiwan und ich im Subway warten, bis wir den Bus nehmen konnten. Aber zum Glück hat What’s-She-Called-Again weiche Schultern.
Anyways, die Tage danach ist erst mal nicht viel passiert. Ich habe gearbeitet und war abends Zuhause und irgendwie deprimiert. Unseren Comic haben wir aber so gut wie fertig gekriegt, immerhin. Highlight war dann, dass What’s-She-Called-Again und ich vorgestern alleine Blätter für eine neue Quest verteilen mussten, ja, auf Russisch und ja, irgendwie haben wir das tatsächlich gemanaged gekriegt. Magie.
Gestern war dann ein komischer Tag. Arbeit war schon komisch: obwohl ich genug zutun hatte, wurde ich ständig unter fadenscheinigen Vorwänden aus dem Büro gescheucht. Der Höhepunkt bildete dann das Theaterstück Carmen, gespielt von Taub-Blind-Stummen, das ich mir angucken sollte. Danach musste ich auf Schaufensterpuppen aufpassen, weil irgendein Modedesigner dem Eremitage-Theater Kleidung geschenkt hat. Das Schlimme daran war, dass ich eigentlich um Sechs verabredet war und mal wieder hoffnungslos zu spät war, nur diesmal ohne mein zutun. Naja. Ich war dann spazieren und essen um hinterher einen kleinen Abschiedsumtrunk mit den Eremitage-Menschen in der geliebten Karaoke-Bar zu haben. Den Eremitage-Menschen und der Mätresse, weil wir jetzt beste Freunde sind, oder so. Der Abend verlief relativ unspektakulär, aber entspannt und lustig. Merkwüdig wurde es dann, als Ami sich entschied, die Party zu crashen. Еr erzählte merkwürdige Geschichten. Zum Beispiel: „So if I get a cab right now; …“ […] „There was a chick with a horse.“ „I GOT ATTACKED BY A HORSE AND SHE WANTED 500 RUBLES FROM ME, WTF.“ Ich hatte danach irgendwie das Gefühl, jetzt habe ich es mir bei meinen Freunden irgendwie verscherzt, aber dann wiederum sind alle super relaxed und es ist ja auch nicht meine Schuld, dass er noch unbedingt kommen wollte. Na ja.
Heute war entspannt, ich habe den halben Tag geschlafen und gechillt und leckeres Essen gekocht und eben noch Eternal Sunshine of the Spotless Mind geparallel-watched und es hat sich ein bisschen weird angefühlt und ein bisschen schön, aber most of all war einfach der Film ziemlich gut.

Morgen, genauer gesagt übermorgen, weil mein Zug um 00.10h geht, beginnt also mein nächstes Abenteuer. Ich bin ja ein bisschen wehmütig, ein bisschen traurig, ein bisschen aufgelöst – zwei Monate sind einfach zu viel Zeit, um nur kurz vorbeizuschauen und hallo zusagen, aber zu wenig, um entspannt und reuelos nach Hause zu fahren.

I like you a bit

Was zum Teufel ist eigentlich in den letzten Tagen passiert?

Freitag war ich wieder beim Hockey (und habe noch ein Tor gemacht. Ich hab’s langsam raus. Yeah.) Samstag hab ich irgendwie vergessen. Sonntag gab’s dann Barabend mit „den Mädels“ (vor ein paar Jahren hätte ich jetzt um Erschießung gebeten. Wie Zeiten sich ändern!). Aber zuerst traf ich mich mit meinen russischen Hockeyfreunden auf der Insel, um Fußball zu gucken. Jedenfalls war das der Plan. Ich hatte aber Sonntag meinen verwirrten Tag und habe die SMS mit der Wegbeschreibung nicht richtig gelesen. Ich bin also zu irgendeiner Metrostation geeiert, um da festzustellen, dass ich dort gar nicht hinsollte, also bin ich wieder zurückgefahren, aber mit dem falschen Bus, dann habe ich die Station verpasst, die meiner eigentlichen Station am nächsten war und musste voll weit laufen. Alles in allem war ich c.a. 50 Minuten zu spät und alles fing damit an, dass ich versucht hatte, Röstzwiebeln zu machen und zu spät gemerkt habe, dass ich die komplette Wohnung eingeräuchert hatte. Na ja. Nun. Fußball war gut; dass Zenit gegen ZSKA gewonnen hat glich die schmachvolle 5:0 Niederlage der Hertha ein bisschen wieder aus. Ein bisschen.
Anyways. Ich wollte mich danach noch mit den Eremitage-Mädels in einer Bar am Nevsky treffen. Ich war natürlich zu spät. Ich wollte Miss Russia bei Kazan abholen, also waren wir zusammen zu spät. Ich textete What’s-She-Called-Again und sie war auch zu spät. Die Andere Neue wohnte nebenan und sagte von Anfang an, wir sollen ihr schreiben, wenn wir in der Bar sind. Wir haben uns also alle kollektiv dazu entschieden, uns eine halbe Stunde später zu treffen, ohne das abzuklären. Wir sind Genies. Der Barabend verlief dann sehr lustig. What’s-She-Called-Again und ich haben aus Lust am Hedonismus einen 850ml Long Island Ice Tea bestellt. Danach war alles witzig. Miss Russia hat dem Barkeeper ihre Telefonnummer gegeben. Wir wurden dann rausgeschmissen, weil es hieß, dass bald geschlossen wird, also sind wir noch zu Miss Russia, die uns mit Karotten gelockt hatte. Es stellte sich heraus, dass es Tiefkühlkarotten waren. Aber egal, es gab mikrowellenaufgewärmtes Gemüse und alle waren zufrieden. Der Barkeeper hat sich auch tatsächlich gemeldet – Highlight des Abends.
Highlight des nächsten Tages war, dass Die Andere Neue und ich zum Ladoga See fahren wollten. Ich war Planer. Natürlich ging das schief. Wir trafen uns um zwölf am Finnländischen Bahnhof und kauften also ein Ticket nach Prioersk. Ich hatte irgendwo in Internet gelesen, dass man dahinfahren sollte, wenn man zum Ladoga See möchte. Prioersk also. Am Ende stellte sich heraus, dass der nächste Zug erst um 16.20 fährt und drei Stunden braucht. Wir entschieden uns dann, das Ticket verfallen zu lassen und wann anders zu fahren. Zum Glück ist Öffentlicher Verkehr in Russland nicht so teuer. Das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite, sodass ich den ganzen Weg mit einem Schlenker über die Peter-und-Pauls-Festung zufuß zurückgegangen bin. Und ich habe offiziell den Sommer eingeläutet, denn ich habe ein Eis gegessen. Ich bin beim Auspacken dessen zwar fast überfahren worden, und es war auch nicht lecker aber hey. Eis.

Das war also Montag. Am Dienstag war ich ziemlich lange arbeiten und danach mit What’s-She-Called-Again im market place, weil ich noch einen Flyer für die liebste Zeitung designen musste und sie lernen wollte. Wir waren dann so lange da, dass die Speaking Club Menschen kamen und dann ist etwas Merkwürdiges passiert. Ich sitze nichtsahnend am Tisch und blicke mich um in der Erwartung, langsam Menschen eintrudeln zu sehen, die ich kenne. Und dann kam auch ein Mensch, den ich kannte. Allerdings nicht vom Couchsurfing. Und auch nicht aus Piter.
Sondern aus der Uni. Ich habe also zufällig in Sankt Petersburg eine Person aus meinem Russisch Literaturkurs getroffen, wie weird ist das bitte? Aber okay. Cool.
Am Mittwoch war ich ziemlich sauer auf die Menschen, mit denen ich meinen Palmyra-Comic zeichne. Und auf eigentlich alle im Büro. Also bin ich ziemlich früh abgehauen und habe den Ami angerufen, um ihn zu fragen, ob er mit mir Kuchen essen geht und irgendwie ist das ein bisschen ausgeartet. Wir waren spazieren, Kuchen essen, Kaffee trinken, im Park chillen und dann war es so spät, dass wir direkt von dort zu ein paar Leuten wollten, um Filme zu schauen. Wir haben den Ort nicht gefunden und sind in irgendeiner schäbigen Bar gelandet. Natürlich fuhr, als ich nach Hause wollte, längst kein Bus mehr, aber weil ich keine Lust auf Taxi hatte, habe ich dann bei Ami geschlafen, er hat ja schließlich drei Betten. Am nächsten Tag hab ich mir dann gedacht „Arbeit, nähh.“ und wir haben den ganzen Tag rumgegammelt, Se7en geschaut und gegessen. Danach war dann donnerstägliches CS-Meeting. Ich hatte What’s-She-Called-Again eingeladen, mit mir dorthin zu gehen, sonst wäre ich wahrscheinlich einfach irgendwann nach Hause gefahren. Auf meinem Weg dorthin jedenfalls fand ich einen regungslosen Körper auf dem Boden. Stellte sich heraus, dass es einfach nur ein bewusstloser Suffi war, aber trotzdem war ich in Sorge. Zuverlaessige Quellen haben mir spaeter mitgeteilt, dass mit der Person aber wohl alles in Ordnung ist.
Anyways. Ich wollte nichts trinken, weil ich ja am Tag davor schon so lange unterwegs war und ich heute wirklich in die Eremitage wollte. Also bestellte ich mit What’s-She-Called-Again ein Wasser für mich und ein Bier für sie.
Wenn das mal so einfach gewesen wäre. Wir warteten ewig, dann brauchte die Barkeeperin Stunden, um ihr Bier zu zapfen, dann wollte niemand unser Geld. What’s-She-Called-Again hat dann irgendwann angefangen von 30 runter zu zählen – wenn bis dahin keiner kommt, gehen wir eben ohne zu zahlen. Es wollte uns zwar keiner abkassieren, dafür stand plötzlich ein zweites Bier vor uns, das sich als herrenlos herausstellte. Natürlich kann ich als besorgte Person ein armes Bier nicht einfach so alleine auf dem Thresen stehen lassen, also beschloss ich kurzerhand, es zu adoptieren.
Fehler, man. Fehler.
Ich trank also das Bier. Dann hieß es „Wir gehen noch in diese andere Bar“. Okay, wenn ich dort bin, kann ich auch noch eins trinken. Dann kam What’s-She-Called-Again’s Part.
Kurzum, ich blieb sehr lange in dieser Bar. Ich trank sehr viel Zeug und gab viel zu viel Geld aus. Ich lernte sämtliche Menschen in diesem Etablissement kennen, inklusive merkwürdiger Österreicher, die sich als Deutsche ausgaben. Ich sang Bitter Sweet Symphony und Smells Like Teen Spirit und verabschiedete mich dann mit What’s-She-Called-Again und einem dubiosen Menschen. Eins führte zum anderen und ich war um viertel nach Sieben zuhause und ziemlich baked. Ich habe einen merkwürdigen Patchwork-Fisch, der mich heute morgen aus meinem Schal heraus angelächelt hat. Als ich am Küchentisch saß war ich immer noch so verplant, dass Хозайка mir empfahl, mich wieder hinzulegen. Also schlief ich noch ’ne Stunde und machte mich dann auf den Weg zur Arbeit. Ich habe das dumpfe Gefühl, immer noch nicht nüchtern zu sein.
Irgendwie enden meine Abende immer ganz anders als erwartet.

Sleep is for the weak

„You know what, I feel really happy. Not just on the outside, but really, completely, sincerely, genuinely happy. Like the shadow inside my head is gone for a while.“ „Well, in America we have a word for that.“ „Which is?“ „Drunk!“

Aber das ist nicht wahr, ich fühle mich nicht betrunken. Okay, gut, in dem Moment, in dem ich das sagte, war ich betrunken. Aber ich dachte es auch am Tag danach. Und am Tag danach. Ich denke es fast jeden Tag, wenn ich im Sonnenschein zur Arbeit gehe. Mir geht es hier wirklich gut und zum ersten Mal in meinem Leben bin ich das, was man wohl im Allgemeinen zufrieden nennt.

Geschlüpft ist der Gedanke auf Chilääns Abschiedsrunde. Er schrieb „Um Acht in der Bar.“ dann schrieb er „Ich bringe noch wen mit.“ und dann „Ich rufe dich an, wenn ich losgehe.“ Bis Acht hatte niemand angerufen. Um halb Neun schrieb ich ihm eine SMS. Um Neun bekam ich die Nachricht, er sei jetzt unterwegs. Also setzte auch ich mich in Bewegung. In der Bar traf ich unerwartet auf Ami, der anscheinend die Begleitung darstellte, doch von Chilään keine Spur. Es stellte sich heraus, dass Ami seit c.a. anderthalb Stunden auf uns wartete, während sich Chilään fröhlich verspätete und ich Zuhause auf Neuigkeiten wartete. Na ja. Happens. Der Abend an sich verlief bierlastig, als ich an den Punkt kam, an dem ich mich ziemlich betrunken und fertig fühlte und bereit war zu gehen, lernten wir plötzlich die netten Russen vom Nebentisch kennen und ich sah mich dazu gezwungen, mit ihnen eine weitere Runde zu trinken. Wir verließen die Bar dann auf Aufforderung des Personals, закрываемся, wir schließen. Ups.

Samstag war auch so ein Abend. Ich war erst arbeiten, weil wir zu irgendeinem Event geladen wurden, auf welchem zwei meiner Mitvolontärinnen und ich dann gefragt wurden, ob wir Griechen seien. Klar. Jedenfalls wurden die Andere Neue und ich zum Essen eingeladen von ein paar Couchsurfing Leuten. Ich erwartete so fünf Personen. Wir waren c.a 25 und okkupierten das gesamte Restaurant. Es gab Hot Pot und ich habe mit Stäbchen gegessen und nach 30-minütigem Kampf hat es auch irgendwann geklappt, aber ich habe noch nie so lange gebraucht, um satt zu werden. Nach dem Essen verabschiedete sich die Andere Neue. Ich wollte eigentlich auch gehen, ließ mich aber „auf ein Bier um die Ecke“ überreden, schließlich waren wir nicht weit von meinem Haus entfernt. Aus einem Bier wurden zwei, auf einmal gab es Shots und als es dann hieß was nun? war ich plötzlich mit einem Russen, dessen Namen ich nicht wusste und einem in New York lebenden Chinesen, dessen Namen ich auch nicht wusste, der für mich einfach nur „der mit der verrückten Kokain-Story“ war, in einem schäbigen Hotel irgendwo im Zentrum der Stadt. Die verrückte Kokain-Story erklärt sich folgendermaßen: er vermietet im großen Stil Wohnungen über airbnb. In einer dieser Wohnungen lebte bis vor kurzem ein Mädchen, das auf einmal krass koksabhängig wurde, ein Loch in die Wand schlug, versuchte, vom Dach zu springen und dann ins Krankenhaus geliefert wurde. Sie wurde aus offensichtlichen Gründen rausgeschmissen. Das mit dem Hotel erklärt sich durch die Story: der Hong-Kong-Mann wollte mit dem Freund des Kokainmädchens telefonieren und die Geschichte klären. Derweil tranken der unbekannte Russe und ich seinen Alkoholvorrat aus. Wir wollten dann Freunde vom Hong-Kong-Mann in einer Bar treffen. Es stellte sich heraus, dass das auch meine Freunde waren. Ferner stellte sich heraus, dass die Bar zu voll war und wir deshalb nicht mehr eintreten konnten. Es war zwei Uhr morgens, wir wurden zum Salsa eingeladen und gingen dann doch weiter in einen Club. Dort trafen wir allerlei Proletariat, unter Anderem einen Typen aus Deutschland. Diese Deutschen, die sind aber auch wirklich überall. Kurzum, nach mehreren Stunden netter Unterhaltung und schwitzigen Tänzen zu schrecklicher Musik war ich dann so gegen Sieben im Bett. Guten Morgen.

Sonntag dachte ich dann: ich schlafe aus und dann lerne ich ein bisschen, aber im Endeffekt war ich mit der Anderen Neuen shoppen. Ich habe ein Kleid gekauft, ich liebe es, es ist warm, gemütlich und wunderschön. Am Montag habe ich mir einen Block gekauft, mich an die Neva gesetzt, meine Jacke ausgezogen, die Sonne genossen und gezeichnet. Entspanntes Leben, entspannte Freizeitbeschäftigungen. Auch entspannt: mein langersehnter Besuch ist endlich da. Kommunikationstechnisch gab es einiges Hin- und Her und ich habe bereits jetzt mein ganzes Guthaben verbraucht. Aber das macht nichts. Donnerstag gehen wir wieder mal ins Theater, diesmal gibt es Schwanensee. Aufregend. Samstag bin ich eingeladen, um klassische litauische Tänze zu lernen. Посмотрим. Wir werden sehen.

You’re brutal, man

Es gibt sicherlich bessere Fotos, aber ich wollte meinem Blog meinen Arbeitsplatz nicht vorenthalten. Durch dieses herrschaftliche Tor schreite ich seit Dienstag jeden Morgen, nachdem ich zwanzig Minuten am glitzernden Band der Neva entlang gelaufen bin. Nun, genau genommen wollte ich Montag anfangen. Doch als ich gut gelaunt am dvorzovaja ploschadj stand, stelle ich fest: das Tor ist zu. In meinen Erinnerungen wühlend wurde mir klar, dass die Eremitage Montags geschlossen ist, aber ich fand in meiner E-Mail keinen Hinweis auf einen Nebeneingang oder sonstiges. Die Website konnte ich nicht besuchen, weil mein Handy sie für einen Virus hielt. Also musste ich im Büro anrufen. Ich. Anrufen. Klar. Meine erste Frage also вы по-англиски говорите? – Sprechen Sie Englisch? – Нет. Verdammt. Also musste ich mein Anliegen auf Russisch darlegen, aber es hat anscheinend gut genug funktioniert, um die Antwort Seien sie morgen um Zwei nach dem Essen im Büro zu erhalten. Weil ich nicht wusste, was ich sonst mit meinem Tag anfangen sollte, ging ich erst mal Büchershoppen. Mit Erfolg, für c.a 25 Euro habe ich einen Haufen Bücher und Postkarten bekommen.
Als am Dienstag dann mein erster richtiger Arbeitstag begann, war ich natürlich ziemlich aufgeregt. Erleichtert hat sich für mich einiges dadurch, dass diejenige, die mich und die Andere Neue eingewiesen hat, aus Deutschland kam. Die Andere Neue auch. Langweilig war dann, dass wir in der Empfangshalle im Foyer rumsitzen mussten und Kindern eine Art Schatzsuche durchs Museum erklären mussten. Weil von uns dreien aber nur eine Person fließend Russisch konnte gestaltete sich das als schwierig bis unmöglich. Und als dann gegen Ende unserer Arbeit auch noch eine verrückte alte Frau auftrat, die permanent geredet hat und einfach in allem furchtbar anstrengend war, wusste ich: das wird kein guter Tag. Wurde es aber doch noch, denn im Anschluss waren wir Essen und sind dann zum Russian Speaking Club eingeladen worden, was zum Schluss doch noch ganz lustig wurde. Chilään ist auch endlich wieder aus Finnland zurück und hat uns begleitet – nur um mitzuteilen, dass er ab Montag für immer fortgeht, zum Studieren. In Helsinki. Oder so. Unendliche Trauer macht sich breit, aber was soll man machen.
Nun. Heute ist Freitag, und nach vier Tagen kann ich inzwischen auch den Kindern diese blöde Quest nahebringen. Es sind die kleinen Erfolge. Gestern war natürlich wieder Couchsurfing; ich habe auch die Briten eingeladen, aber sie sind aus Versehen ins falsche Café gegangen, also treffen wir uns wohl eher nächste Woche. Gestern auch ist mir dort etwas Fantastisches passiert. Ich kam nämlich spät, weil ich zuerst noch im Theater war, im Konzertsaal des Marinsky, was atemberaubend hätte werden können aber diesmal wirklich nicht mein Geschmack war – kurzum, ich find es nicht schade, dass ich kurz vor der ersten Pause gegangen bin. Jedenfalls kam ich an, Ami und die Andere Neue waren schon da und haben mir erzählt, dass tatsächlich nach mir gefragt wurde. Where’s your crazy German friend? Ich meine, das ist für mich aufregend. Ich war in der Schule immer eher die Oh Gott, muss die in mein Team? Person, und jetzt fragen Leute nach mir, weil sie mich sehen möcht. Doch damit nicht genug. Auf dem Weg zum Tisch wurde ich angehalten von jemandem, der mir doch ernsthaft mitteilte, ich sei eine Inspiration. Ich. Eine Inspiration! KANN SICH DAS JEMAND VORSTELLEN ICH NICHT BITTESCHÖN WEN ZUM FICK SOLL ICH INSPIREREN. Aber diesen Menschen, offensichtlich. Ansonsten war ich gestern krank. Ich bin mit Halsschmerzen aufgewacht und im Theater vor mich hingestorben. Heute gehts mir auf magische Weise wieder besser, aber muss es auch, wir feiern schließlich gleich Chilääns Abschied.
Also dann. За здоровье!

Einmal Ja und zurück.

Das war also mein letzter Schultag. Wow. Ich bin ja ein bisschen überwältigt. Das ging jetzt doch alles ziemlich schnell. Ich hatte das zwar erwartet, aber wie schnell war dann doch etwas atemberaubend. Und es ist wahnsinnig viel passiert. In den letzten Tagen war ich dann auch unglaublich viel unterwegs und ich habe endlich meine Challenge erfüllt: mich mit den Briten zu betrinken. Gestern war nämlich St. Patrick’s Day und anlässlich dessen sind wir nach der Schule erst mal zum Lunch gegangen. Um zwei hatte ich dann mein erstes Bier getrunken. Also weiter in eine irische Bar, O’Hooligans, Fahnen, Luftballons und irische Hüte. Mehr Bier. Und Never Have I Ever. Aber wir konnten nicht bleiben, weil unser Tisch reserviert war, also auf in die nächste Bar. Und noch mehr Bier. Nun ist donnerstags aber auch immer Couchsurfing, also habe ich mich irgendwann verabschiedet und wollte mich mit dem Ami an der Metro treffen. Als ich aus der Tür trat fing es plötzlich an wie blöd zu schneien und zu regnen. Ich versuche also, angetrunken und vollkommen blind den Weg zur c.a. 1,5km entfernten Metrostation zu finden und brauche 40 Minuten. Na ja, passiert. Beim Couchsurfing dann noch mehr Bier, Salat und Pommes. Das Café schließt um elf, also wollte ich mit ein paar Leuten noch weiterziehen. 20 Minuten Fußweg. Ne doch nicht. Ami und ich verabschieden uns von den andern. Ich frage mich ja wirklich.. na ja, egal. Als ich zuhause ankam jedenfalls, hatte meine Gastfrau besuch, also gab’s noch ein Glas Sekt. Um eins war ich dann im Bett. Elf Stunden Suff und am nächsten Tag Schule. Wir waren dann auch nur zu zweit in der Klasse, aber hey. Es war auch alles ein bisschen emotional heute, war ja immerhin mein letzter Tag, also gab’s nach dem Unterricht auch eine kleine Abschiedsparty, mit Rede, Champagner und allem drum und dran. Ich habe sogar ein Zeugnis bekommen, siehe oben. Im Anschluss war ich mit den Britinnen 1 & 2 im Museum, wo wir noch einen anderen Briten getroffen haben. Zu viele Briten. Heute war ein wunderschöner Tag, der erste Tag, an dem sich Piter wettertechnisch von seiner bezaubernden Seite gezeigt hat. Als ich zur Schule fuhr, war die Neva exakt zur Hälfte gefroren, als ich nach Hause fuhr schwamm Eis darin – es sah atemberaubend aus, dazu dieser strahlend blaue Himmel, Sonnenschein, wow.
Heute war auch wieder Hockey – und ich habe mein erstes Tor gemacht. Yay! Was für ein Moment! Und Mittwoch war ich mit Ami in der Eremitage. Wir haben uns erst mal verlaufen. Aber macht ja nichts, dafür ist sie ja auch da, dafür ist sie so riesig. Ist ja kuschelig.
What is more: ein bisschen Gefühlsduseligkeit. Wenn ich so den ganzen Tag rumhänge und ausschließlich Russisch oder Englisch spreche, ist es schwierig bis unmöglich aufzuhören, auf Englisch zu denken. Dann gehe ich mir selber auf die Nerven, weil ich nicht dazu in der Lage bin, meine Gedanken exakt so auszudrücken, wie ich das jetzt gerne möchte und nicht zurück ins Deutsche wechseln kann. Even more: Sich gewählt ausdrücken zu können ist. so. verdammt. attraktiv.
Das war’s erst mal. Verwirrter Beitrag aus einem verwirrten Seelenleben.

P.S.: ich habe mein Zugticket nach Moskau und mein Flugticket nach Sochi gebucht. Shit is about to get real, man.

Von Pancakes, Feuern und Palästen

Und das Wochenende ist schon wieder vorbei. Meine letzte Schulwoche hat angefangen. Das Stimmungsbarometer geht auf und ab. Auf der einen Seite freue ich mich natürlich, das Praktikum anzufangen, aber auf der anderen Seite habe ich mich gerade gemütlich in dieses Leben eingerichtet. Ich habe langsam angefangen, mich an alles zu gewöhnen, mich an St. Petersburg und Russland an sich zu gewöhnen und mich hier wohlzufühlen. Ich fühle mich hier sogar fast ein bisschen Zuhause. Es ist schon interessant, in der ersten Woche war natürlich alles noch neu und spannend, aber die ganze Aufregung legte sich dann in den darauffolgenden Tagen und wich einem Gefühl, bei dem einen einfach alles ankotzt. Es ist irgendwie gemein, sich wieder komplett neu auf Dinge einlassen zu müssen, wenn man gerade irgendwo mit Herz, Kopf und Seele angekommen ist. Aber so ist das wohl.
Am Wochenende, genauer gesagt am Samstag, war ich wie angedeutet mit dem Ami und dem Typen aus Kassel in Puschkin. Es ähnelte schon einem kleinen Abenteuer, überhaupt dorthin zu kommen. Der Ami und ich hatten die Führung komplett unserem Freund überlassen, der uns mit seiner deutschen Effizienz beeindrucken sollte. Wir sind also bis zum Metro-Bahnhof Moskovskaya gefahren und wollten von da aus weiter mit der Marschrutka. Bis wir herausgefunden hatten, was das ist, wo es fährt, wohin es fährt und, vor allem, wie man es anhält verging eine halbe Stunde. Eine weitere halbe Stunde verging, bis wir verstanden haben, wo wir aussteigen müssen – zum Glück war es da noch nicht zu spät. In Puschkin angekommen sind wir dann durch einen großen, grünen Park spaziert und haben Paläste besichtigt. Ich denke, das ist eher nicht so das Winterding, ich kann mir aber vorstellen, dass es im Sommer wunderschön dort ist.
Gestern war dann auch der letzte Tag der Masleniza, eine ganze Woche, in der der Frühling begrüßt wird in dem man Unmengen an Pancakes isst (Ohja. Pancakes. Eine Woche lang.) und hinterher Menschen verbrennt. Der Ami hat mich eingeladen, mit ihm zu einem der vielen Brennpunkte (ha-ha) zu gehen, aber irgendwie haben wir nicht den richtigen Ort gefunden, sind stundenlang durch die Stadt gestreunert und an mysteriösen Metrostationen gelandet um im Endeffekt stundenlang teetrinkend in irgendeiner Bar zu versacken. Teetrinkend, weil ich mir vorgenommen habe, diese Woche nichts zu trinken, was bis heute auch wunderbar funktioniert hat. Aber meine Gastfrau hatte heute sehr viel Besuch und dementsprechend musste ich auch eins, zwei, drei, vier Gläschen Wodka mit ihnen trinken. Der Moment, den ich die ganze Zeit herbeigefürchtet hatte, ist gekommen. Ich fühle mich ein wenig entjungfert, aber es geht mir gut – wie man sieht kann ich noch tippen. Ich musste auch Kaviar essen – furchtbar ekliges Zeug. Ich bin froh, dass meine Abneigung dagegen einhellig zwar nicht verstanden, aber zumindest akzeptiert wurde.

Interessant: ich habe heute Nacht davon geträumt, dass mich irgendjemand dazu einlädt, mit ihm/ihr zu einem Masseur zu gehen. Als ich heute Mittag mit ein paar Freunden beim Lunch saß, hatte ich kurz überlegt, zu erzählen, dass ich endlich wieder träume und wovon ich geträumt habe, habe es dann aber verworfen, weil das jetzt nicht besonders interessant ist. Als ich nach Hause kam stellte mir meine Gastfrau einen Freund von ihr vor – einen Masseur, natürlich. Ich bekam dann auch meine Massage – ich habe also sozusagen die Zukunft vorhergesagt in meinem Traum! Aber das ist noch nicht alles. Als ich gestern mit Ami in der Bar saß, redeten wir, wie immer, über Gott, die Welt und alles. Irgendwann kamen wir auf das Thema spontane Erleuchtungen. Als ich heute am Küchentisch saß und mit meiner Gastfrau und dem Masseur sprach und als der Masseur plötzlich damit anfing, dass ja alles miteinander verbunden sei im Universum (und genau habe ich nicht verstanden, worum es ging), hatte ich genau so einen Moment, in dem man denkt: was mach ich hier überhaupt? Und warum bin ich hier? Und wie absurd ist das eigentlich, dass ich gerade in Russland bin, an einem Küchentisch sitze, Unmengen an Tee und Süßkram vernichte und dabei über irgendwelche meditativen Ideen rede? AUF RUSSISCH? Fast wie damals mit Conspiracy Guy irgendwo in Lettland.
Die Dinge wiederholen sich.

Selbstbild als Schildkröte

I’m going to slip into the sweet embrace of unconsciousness for the night.

(Oh Gott, ich hasse WordPress dafür, dass es dieses Bild abgeschnitten hat!)

Ein bisschen Kitsch darf auch mal sein. Die Sonne schien heute (zumindest hat sie es versucht). Als ich die Wohnung verließ war davon zwar nicht mehr so viel zu sehen, aber immerhin. Das Wichtigste ist: ich habe endlich meine Hausarbeit abgegeben! 14 Seiten Schwerstarbeit, aber am Ende ging es doch schneller als erwartet. Ich hoffe, es ist halbwegs okay – trotz des eklatanten Quellenmangels.

Gestern war ich wieder beim Couchsurfing-Event. Nach Dienstag habe ich beschlossen, die restliche Woche nüchtern zu bleiben, also trank ich Grapefruitsaft. Ich mag die Leute dort. Wir haben seit gestern auch einen weiteren Deutschen im Team, er war mit. Er kommt aus Kassel. Coincidence? I think not. Wir haben zusammen versucht, dem Ami zu erklären, was „Fick dich ins Knie“ bedeutet. Sein Kommentar: „I just graduated from a cocksucker to a kneefucker. That’s great, man!“ Ich beging an dem Abend auch den Fehler, den beiden mitzuteilen, dass ich nicht pfeifen kann. Auf meinem Weg nach Hause erhielt ich eine SMS: „Bist du sicher, dass du alleine nach Hause laufen kannst? Ich meine, wenn du in Gefahr bist, kannst du nicht mal Pfeifen!“, woraufhin ich, angekommen, erwiderte, dass ich es trotz aller Widrigkeiten Heim geschafft hätte und das Pfeifen gar nicht nötig hätte. Danach hieß es: „Das ist wie einer Baby-Schildkröte zu gratulieren, dass sie es ins Meer geschafft hat, ohne Französisch zu können. Die Möglichkeit war einfach nie gegeben.“ Yep, that’s me.

Man kann in Russland übrigens nicht schwarz fahren, es ist unmöglich. Sobald man in den Bus steigt, kommt eine Person und dreht dir ein Ticket an, es ist unvermeidlich. Sollte man es trotzdem irgendwie schaffen, muss man 500 Rubel Strafe zahlen. Das sind immerhin ungefähr sieben Euro, davon kann man sich schon mal ein AB-Tagesticket für Berlin kaufen. Was ich auch nicht verstehe, ist die Sache mit den Zebrastreifen. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob die Autos dort anhalten müssen, oder ob das mehr ein Vorschlag für die Fußgänger ist, dass hier doch ein geeigneter Ort sei, um die Straße zu überqueren. Für Ersteres halten die Fahrer zu selten, für Zweiteres zu oft. Ich hoffe ich bin schlauer, bevor ich endgültig abreise.

Als Letztes: morgen fahre ich mit Ami und Kassel-Mensch nach Puschkin. Das ist ein Distrikt etwas außerhalb der Stadt, wo einiges an Palästen und anderen schönen Dingen rumsteht. Ich bin gespannt.