Auf Usedom

Im Urlaub – so richtig, ganz entspannt, zu zweit, in einer Ferienwohnung, mit so etwas wie einem Plan, irgendwie erwachsen. Irgendwie fühlt es sich gut an. Ich sitze im Bett und schreibe an der Abschlussbroschüre für mein Projekt, R. sitzt am Tisch und feilt an seinem Projektbericht. Stille, Tippen, zwischendurch eine Frage nach Synonymen oder ein verzweifeltes Seufzen. Co-working oder so.

Heute war schön, es gab viele Gefühle. So viele Gefühle, dass ich eben beim Abendbrot kurz durchatmen musste, Pause machen musste, meine Mimik entzerren musste. Den ganzen Tag mit einem anderen Menschen verbringen heißt auch, den ganzen Tag sein Gesicht aufzuhaben.

Nur du und ich und niemand sonst in dem ganzen sumpfigen Vogelreservat. Es flattert und zwitschert um uns herum, in der Ferne fahren Schiffe auf der Swine. Wir stehen auf einem verlassenen Aussichtsturm und schauen uns die leere Landschaft an. Du nimmst mich in den Arm, schaust mich an, ich denke: ich liebe dich. Ich küsse dich oder du küsst mich, ich muss mich auf die Zehenspitzen stellen, ein bisschen zumindest, du lachst, ich lache und denke: ich liebe dich. Du schließt deine Augen und legst deine Stirn auf meine Stirn und nimmst mein Gesicht in deine Hände, ich drücke dich etwas fester und denke: ich liebe dich. Sag ich es dir oder sag ich es dir nicht? Ich will den Moment nicht ruinieren, indem ich dir Angst mache. Stattdessen sage ich: Schön mit dir hier. Du reagierst nicht. Was sagt man dann?

Morgen ist noch ein Tag und dann müssen wir schon wieder los. Wir haben noch nie so viel Zeit miteinander verbracht und ich bin fasziniert davon, wie harmonisch es läuft.

Ich rede ein bisschen über Menstruation und die Angst, schwanger zu werden, du wechselst schnell das Thema. Wir müssen auch über solche Dinge reden, wir müssen überhaupt über solche Dinge reden, wir müssen viel mehr reden. Aber es ist so schön und ich fühl mich so wohl und ich bin so glücklich und zufrieden und ich will einfach nur, dass alles für immer so bleibt und nicht anders.

Es ist manchmal echt schwer, alles immer verbalisieren zu wollen – manchmal ist es vielleicht einfach unnötig. Aber ich würde mich trotzdem besser fühlen.

Jetzt oder nie

Wir fahren am Wochenende nach Usedom. Ich bin aufgeregt. Eigentlich bin ich schon aufgeregt, seitdem wir das beschlossen haben, aber ich habe es vor mir selbst natürlich erst nicht zugegeben. Aber jetzt kann ich das Gefühl nicht mehr ignorieren.

Wir fahren also in den Urlaub, zu zweit, und ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum es nicht wunderschön werden sollte und das macht mir Angst. Es soll regnen. Ich denke: gut, dann bleiben wir zwei Tage lang im Bett. Wir sind zusammen. Sogar darauf würde ich mich freuen. I am setting myself up for disappointment.

Er hat mir eine Postkarte geschrieben, in der er sagt, dass er sich darauf freut, wenn wir uns bald wiedersehen. Er sagt nicht: können.

Ich rufe ihn betrunken vom Festival an. Ich sage: ”Irgendwann wird sich unsere Kommunikation schon einpendeln!” er sagt: ”Das ist alternativlos”. Natürlich ist es nicht alternativlos, denke ich, wir können uns auch trennen. Das scheint ihm nicht einzufallen oder es scheint keine Option zu sein. Er ist sich der Zukunft so sicher – wir werden uns sehen, wir werden unsere Kommunikation verbessern – dass ihm unliebsamere Szenarien gar nicht in den Kopf kommen.

I want to tell you that I love you but I don’t know how.

Und ich freue mich immer noch darauf, dich besser kennenzulernen, freue mich vielleicht auch deswegen so auf den Urlaub, weil wir endlich mehr Zeit zusammen haben werden. Ich freue mich darauf, gemütlich mit dir zu werden, freue mich darauf, wenn die Aufregung weg ist und die Zuneigung, Sicherheit, Comfort bleibt. Freue mich, neben dir zu schweigen und deine Anwesenheit zu genießen, ohne das Gefühl zu haben, das meiste daraus machen zu müssen.

Verträumt

Ich habe heute etwas Seltsames geträumt. Es war von vornherein in Englisch, was mich eigentlich hätte stutzig machen sollen.

Also. Ich habe geträumt, R. und ich lägen im Bett. Plötzlich setzte er sich auf und sagt ”I love you”, er hat das noch nie gesagt, er hätte auch keinen Grund, das auf Englisch zu sagen, also war ich aufgeregt, aber nicht misstrauisch. Ich vergrabe meinen Kopf in seinem Bauch, lache und sage ”I love you too”. Dann verwandelte sich R. auf einmal in D., aber es schien mir so normal zu sein. Ich war schließlich an ihn gewöhnt. Und ich dachte: oh nein, ich wollte das doch eigentlich nicht mehr. Wie bin ich nur hier wieder gelandet? Es fühlte sich so an, wie aus einem Traum aufzuwachen – nur eben im Traum. Hatte ich das Alles nicht längst hinter mir gelassen? Ein bisschen hatte ich sogar Angst. Oh nein, dachte ich. Nicht schon wieder. Irgendwann hat mich dann schließlich die Realität wieder eingefangen und ich konnte D. wieder hinter mir lassen. Dann bin ich aufgewacht. Neben R., natürlich.

Ich schau dich an, du schaust zurück, und wir liegen nur so da, schauen einfach, reden nicht. Schließlich frage ich ”Was denkst du?” und du lächelst und sagst ”Dass ich gerade sehr zufrieden bin, hier zu sein und nicht irgendwo anders.” Ich lächle zurück und sage ”Ich bin auch sehr zufrieden, dass du hier bist.” Wie schön du bist, denke ich. Meine Augen wandern über die Karte deiner Haut, und jede Imperfektion macht dich noch schöner.

”Manchmal habe ich das Gefühl, ich falle mit den Gedanken von einer Kante und komme nicht mehr hoch.” ”Was würde dir denn dabei helfen, wieder hoch zu kommen?” ”Ich weiß nicht. Ich glaube, das hat mich noch nie jemand gefragt. Essen, vielleicht. Essen hilft immer.” ”Und dann musst du dir trotzdem einen Wecker stellen, um das Essen nicht zu vergessen?” ”Na ja, nur, weil es hilft, heißt das nicht, dass ich es auch schaffe, das zu tun.” ”Hm.” ”Was überlegst du?” ”Was es für Soulfood gibt, das wir in deinem Tiefkühler lagern können. Bolognese könnte ich machen.”

That you listen to me without judging, without pitying or not believing me is probably my favorite thing about you. That you’re still happy to see me even if I barely spoke to you all day because I was in a mood and trying to figure out what’s wrong.

Es ist spannend, zu beobachten, wie sehr ich versuche, Streit zu vermeiden und stattdessen mehr nachzudenken, wie ich klar kommunizieren kann, was mein Problem ist. Mir war klar, dass ich nicht unglücklich bin, weil du mich nicht zu deiner Party eingeladen hast, aber normalerweise hätte ich mich trotzdem erst aufgeregt und dann später herausgefunden, was mich eigentlich stört. Mit dir ist das anders. Ich hoffe, das bleibt so.

Titel hier eingeben

Ich vergesse manchmal, wie gut Yoga tut – auch mental. Das klingt vielleicht esoterisch – das kann man bei Yoga nie so ganz vermeiden – aber die Konzentration auf die Übungen, meinen Atem, das Ziehen in meinen Bändern hilft, mich zurück in den Moment zu finden. Also habe ich danach heute beschlossen: ich werde jetzt gesund. Ich habe mein Bett bezogen, Bär und Peng gesäubert (soweit man die beiden überhaupt noch säubern kann), eine Wäsche angeschmissen, ein bisschen aufgeräumt. Ich müsste dringend auch die Wohnung putzen – das stand letzte Woche an und ist natürlich liegen geblieben. Aber jetzt muss ich doch erst einmal Pause machen.

Ich bin überrascht davon, wie gut ich die Einsamkeit in den ersten Tagen doch weggesteckt habe. Gut, Freitag hatte ich einen kleinen Oh, fuck. Oh, fuck.-Moment. Aber Samstag und Sonntag waren okay und das, obwohl ich so viel verpasst habe dieses Wochenende (unter Anderem das My Chemical Romance Konzert, auf das ich mich seit zwei Jahren gefreut hatte. Na ja.). Montag ging es dann physisch bergauf und mental rapide bergab, aber mit R. zu reden hat irgendwie geholfen. Er hat nicht mal groß Dinge gesagt oder getan, die ich als besonders unterstützend empfunden hätte. Aber er hat immer diese beruhigende Wirkung auf mich, selbst, wenn er gar nicht da ist. Sehr seltsam. Er ruft mich gerade jeden Tag an, um zu schauen, wie es mir geht. Und ich freue mich da sehr drüber, obwohl ich gleichzeitig denke: wirklich? Sollte das nicht selbstverständlich sein? Ihr seid doch jetzt schließlich zusammen.

Aber lieber nicht zu viel erwarten.

Das ist überhaupt auch so seltsam: seit unserem Gespräch am Mittwoch, an dem wir das beschlossen hatten (mit Logik, genau), habe ich ihn nicht mehr gesehen. Deswegen fühlt es sich auch noch nicht so ganz real an. Wahrscheinlich muss man sich daran auch erst einmal wieder gewöhnen.

Ich habe letztens einen interessanten Vergleich gelesen. Obwohl, ich weiß nicht, ob es wirklich ein Vergleich war, aber es erinnerte mich daran — emotional permanence. Hab ich nicht, glaube ich. Wie Babies, die nicht verstehen, dass ein Objekt noch da ist, nur weil etwas davor geschoben wurde — kann ich mir nicht vorstellen, dass Gefühle noch da sind, wenn ich sie nicht wahrnehme. You said you loved me yesterday, but that doesn’t mean you love me today, even though nothing has changed. In a similar vein: I cannot imagine this empty feeling of helplessness to ever end, although I’ve felt it before and it has ended before. Die Frage ist: hält die Theorie mit positiven Gefühlen? Sometimes when I’m on a high I think that’s it, I’m gonna turn my life around, everything will be way more organized from now on. Also: I cannot imagine ever not liking you. Vielleicht also schon.

Meine Schwester wollte tatsächlich mit mir Wandern gehen am Wochenende. Sie, ich, L. Mini-Familienausflug. Schade, dass das jetzt wahrscheinlich nichts wird. Ich hatte mich darauf gefreut – es wäre schließlich auch das erste Mal gewesen. Mama kann ich morgen nicht abholen vom Bahnhof, R. sehe ich frühestens Ende nächster Woche irgendwann wieder.

Aber hey, meine Tomatenpflanze hat Blüten.

unwelt

zitronengeruch
kamillentee
ich bin seit vier tagen nicht aufgestanden
und ich habe es auch nicht mehr vor

buchstabensuppe
pestonudeln
ich versinke in plastikmüll
und getir-tüten

ich wandere:
vom bett (ein thron aus taschentüchern)
zum sofa (ein refugium aus kissen und decken)
von der küche (braun)
ins bad (rot/grau)

meine ausgaben für streamingdienste hätten sich verdreifacht
hätte ich keine freunde mit zwielichtigen moralvorstellungen

die krümel auf meinem couchtisch gehören inzwischen zum dekor
genau so wie das malbuch auf dem boden

eine welt eingerahmt in 17 wänden
plus balkon
auf dem eine tomatenpflanze stirbt
wie das in berlin eben so üblich ist

alltagsgegenstände vergraben wie sagenhafte schätze
brille
portemonnaie
schlüssel
habe ich lange nicht gesehen

die streben meines bettes erinnern mich an gitterstäbe
durch die ich in eine andere welt gucke
eine welt der stehenden

irgendwann wird mir ein fehlender streifen auf einer billigen plastikkassette erlauben, diese unwelt zu verlassen

bis dahin hilft nur gedichte schreiben

Rinse and Repeat

Ich hätte eigentlich zum Erasmus-Präsenztreffen gehen sollen, aber bin ich nicht. Stattdessen lag ich im Bett, habe ein Nickerchen gemacht, ein paar alte Notizen durchgelesen, die Seite des SZ-Magazins nach Artikeln ohne Paywall durchforstet (schwierig). Im Wechsel habe ich heute auf der Couch liegend Artikel für die Uni gelesen und ”geschlafen”, d.h. in unmöglicher Verrenkung meinen Arm über die Lehne gehängt, meinen Kopf auf meinen Arm gestützt und die Augen geschlossen. Rinse and repeat.

Wir waren gestern klettern, ich war sehr unerfolgreich, dafür habe ich jetzt einen riesigen Bluterguss am Bein. Ich habe also immerhin etwas mitgenommen.

Ich habe viel nachgedacht in letzter Zeit. Darüber, warum ich so Angst davor habe, über Dinge zu reden. Darüber, was die Ursachen hinter den Symptomen sind.

Wir stehen zu viert in der Küche. ”Heute ist mein erster Tag in Freiheit, nach der Quarantäne. Ich hatte letzte Woche Covid”, sagt R. ”Oh, ja, davon habe ich gehört. Geht es dir jetzt wieder besser?”, antwortet A. und ich zucke unweigerlich zusammen. Hat er das mitgekriegt? Ich habe über ihn geredet. Wenn alle weg sind, werden wir vier Stunden darüber streiten, ich werde irgendwann heulen und in ein Handtuch rotzen. Für eine Sekunde ziehen diese Szenen an mir vorbei: wir laufen durch die Küche, ich flüchte ins Schlafzimmer und verkrieche mich unter die Decke, du kommst vorbei, ich versuche über meine Gefühle zu reden, du wimmelst sie ab. Irgendwann bin ich so erschöpft, dass ich allem zustimme, du wirst versöhnlich, nimmst meine Hände, wir gehen schlafen, rinse and repeat. Das passiert natürlich alles nicht, denn D. ist nicht da und niemand sonst hält es für streitwürdig, wenn du anderen Leuten davon erzählst, dass jemand aus deinem engeren Umfeld krank ist. Trotzdem habe ich erst einmal instinktiv Angst.

Ich versuche, mir vorzustellen, wie wir über Gefühle reden und andere Dinge und es schnürt mir die Kehle zu. Ich will mich nicht streiten, will nicht an der Klippe der Existenzangst entlang spazieren. Ich bin wirklich glücklich so, wie es ist mit dir und ich möchte nicht, dass sich irgendetwas verändert, aber kann ich davon ausgehen, dass du das verstehst, selbst wenn ich über uns sprechen möchte?

Hallo, mein Name ist Sasha und ich weiß nicht ob du’s schon wusstest, aber ich bin hoffnungslos verliebt in dich. Ich genieße jeden Moment mit dir und ich will, dass das genau so bleibt. Ich möchte mit dir darüber reden können, wie es in meinem Kopf aussieht, manchmal, ohne, dass das an unserer Dynamik kratzt. Ich würde auch gerne wissen, was in deinem Kopf so vorgeht.

Ich hab noch nie jemanden lieber kennengelernt als dich.

Von Prozessen habe ich geredet und davon, dass man sie oft nicht mitbekommt, wenn man mittendrin ist, bis sie plötzlich irgendwie ”abgeschlossen” oder zumindest schon sehr weit fortgeschritten sind. Du hast gesagt, darüber möchtest du lieber nicht nachdenken. Wieso? Wovor hast du Angst? Geht dir immer noch alles zu schnell? Ich habe wirklich versucht, mich zurückzuhalten, aber ich weiß, ich bin nicht besonders gut darin. Na ja, unterm Strich habe ich eben doch immer noch Borderline.

Was bin ich für dich? Ich weiß, eigentlich ist die Frage nicht relevant, solange wir uns beide wohlfühlen. Aber wissen möchte ich es trotzdem, rein aus Neugierde. Ich hatte mir fest vorgenommen, mit dir zu reden am Dienstag, aber du wirktest so defensiv und erschreckt und am Ende war es doch einfacher, miteinander zu schlafen.

Das sind viel zu viele mentale Ressourcen, die dafür draufgehen, darüber nachzudenken, was du eigentlich von mir willst — anstatt mit dir zu reden.

Gefangen in den immer gleichen Mustern. Rinse and repeat.

Schokoladenseiten

Es ist elf Uhr abends, ich bringe dich zum U-Bahnhof. Wir waren mit den anderen noch in der Bar, aber du hast gesagt, du musst nach Hause, weil du früh aufstehen musst. Wir stehen vor dem U-Bahnhof und umarmen uns zum Abschied, meine Wange an deinem Hals, dafür muss ich mich ein bisschen strecken. Wir stehen eine Weile so da. Ich dachte, du willst gehen, aber du gehst nicht. Stattdessen reden wir einfach weiter. „Ich hab nachgedacht“, sagst du irgendwann. “Ach ja?“ “Ja. Ich hab gedacht, ich werde eh einen Tag in dieser Woche sehr früh aufstehen müssen. Und das ist ja egal, ob das heute ist oder morgen. Also kann ich auch heute noch mit zu dir kommen.“ Ich schmunzle. Eigentlich musst du gar nicht früh aufstehen, wenn du gar nicht bei mir schläfst. Du musst auch gar nicht bei mir schlafen, wenn du nicht möchtest. Aber anscheinend brauchtest du eine logische Rechtfertigung für deine Gefühle, also hast du dir ein Szenario konstruiert. Ich schmunzle, weil ich das so gut kenne. Du weißt das natürlich nicht und ich sage es dir nicht, ich sage nur “Na dann los, gehen wir“ und wir bewegen uns Richtung meine Wohnung.

Ich würde auch nie von dir erwarten, dass wir uns soundso oft sehen. Wir sind “immer noch“ kein Paar, es gibt keine “Regeln“. Trotzdem hast du mich heute nachdem du weggegangen bist gefragt, wie es mir geht und ich habe dir von meinen Regelschmerzen erzählt und du hast mir fünf Tafeln meiner Lieblingsschokolade geschickt. Und ich weiß nicht, warum, aber gerade die Tatsache, dass du mir fünf mal die gleiche Schokolade geschickt hast, anstatt dir zufällig irgendwelche Dinge zusammenzusuchen, die ich vielleicht mögen könnte, um auf den Mindestbetrag zu kommen, finde ich noch einmal extra endearing.

Ich weiß auch immer noch nicht, ob ich das wollen würde – dieses Offizielle. Ich habe gerade das Gefühl, ich bekomme die Vorteile einer Beziehung, ohne deren Verantwortung tragen zu müssen. Vielleicht ist das ein bisschen egoistisch. Vielleicht siehst du das alles auch ganz anders, wir reden ja nicht darüber. Ich habe Angst, das Thema anzuschneiden, weil ich eben nicht weiß, was ich will, weil ich nicht weiß, was ich sagen sollte, falls du mich fragst. Vielleicht habe ich Angst. Vielleicht bin ich noch nicht wieder bereit für Commitment. Oder vielleicht möchte ich gar kein Commitment. Weil ich nicht glaube, dass ich das geben kann, was man dazu braucht. Aber ich möchte für dich da sein. Ich möchte, dass du mit mir redest, wenn du etwas brauchst. Ich will dich nicht kaputtmachen.

Get over it

Es ist doch eigentlich alles in Ordnung. Klar, dass mein Laptop irreparabel kaputt ist, ist ein Minus, aber das stört mich tatsächlich nicht so wie es könnte – wohl ein Zeichen dafür, dass die Dinge gerade tatsächlich gar nicht mal so schlecht stehen. Trotzdem liege ich im Bett, starre an die Decke, aus dem Fenster, kann nicht aufstehen. Draußen scheint die Sonne, ich betrachte ihre Wanderung vom Sofa aus. Ich habe Zeit, ich könnte Schritt für Schritt an meinen Aufgaben arbeiten, ganz ohne Stress. Was ist mein Problem?

Pakistan hat mich, wenn ich ehrlich bin, wenig inspiriert. Ich habe überlegt, ob ich mich tätowieren lassen soll, wie ich das sonst so tue wenn ich länger weg bin – obwohl das letzte Mal nun auch erst knapp ein halbes Jahr her war – aber erst wusste ich nicht was und dann konnte ich es nicht so recht überzeugt vertreten. Ich bereue nicht, gegangen zu sein, es war schön – zum Großteil. Ich habe auf jeden Fall viele neue Einblicke in Dinge gewonnen. Aber es hat nichts in mir ausgelöst, ich habe mich viel allein gefühlt. Ich bin fasziniert von den engen Familienstrukturen des Landes und gleichzeitig dankbar darüber, dass ich diese Einschränkung nicht habe.

”I hope she can travel to all the places she wants to go.” ”Oh, sure she can. Her family’s hella rich.” ”Of course she’s got the means, but if her family doesn’t let her explore things on her own, go by herself, then that’s got nothing to do with her resources” ”Financially, that’s not a problem.” But it’s not about finances, is it? If she’s expected to marry and have children by a certain age and the alternative is to be shunned by her family, there’s no space for a young woman to travel around the world all on her lonesome. What’s more, even if she does it, she won’t be able to fit into these structures anymore. I may not have money, but at least I have this freedom. Dafür war ich dann doch dankbar. Klar, wenn ich irgendwo im Dschungel verloren gehe interessiert das hinterher niemanden, aber das ist okay, wenn ich dafür in den Dschungel kann.

Get up, get over it, your life is fine, you’re just lacking some basic chemicals in your brain.

Letzte Nacht

Ich wate durch die Überreste meiner Kleider von gestern Nacht wie durch ein Schlachtfeld. Hier ein Rock, ein paar Meter weiter eine Leggings. Ein Glas mit einem letzten Schluck Rosé steht auf einem Mario Bros-Untersetzer, ein zweites, leeres, Glas neben Donkey Kong. Die Flasche ist schon weg, das Sofa verrutscht. Mehrere aufgerissene Kondompackungen liegen auf dem Nachttisch. Irgendeine orangefarbene Flüssigkeit verziert in Tropfen meinen Laminatboden. Ein Kabel fehlt. Geisterhafte Spuren eines zweisamen Rendezvous, die schneller wieder aufgeräumt als sie entstanden sind. Ich sitze in meinem Sessel, lasse den Blick schweifen und verweile noch ein bisschen in den Träumen von letzter Nacht. Fingerspitzen auf nackter Haut; Küsse sanft, leise, fordernd. “Es ist schön mit dir”, flüstere ich und kriege keine Antwort. Aber als ich den Kopf hebe und sehe, wie du mich mit großen, hellen Augen anschaust, werden Worte überflüssig.

Wir stehen in der Küche, Licht gedimmt, Weinglas in der Hand. Du an meinen Kühlschrank gelehnt, ich an den Herd gegenüber. Ich schaue zu dir hoch, als unser Gespräch eine Pause macht und bevor ich dazu ansetzen kann, etwas zu sagen, singt Avril Lavigne aus dem Wohnzimmer Cause I’m in love with you, yeah I’m in love with you. Weiß nicht, ob ich dazu einen Witz machen soll oder nicht, peinlich berührt lächeln vielleicht, schaue dich weiter an und kann dein Gesicht nicht lesen. Dann nimmst du den Faden wieder auf und der Moment ist vorbei, ich nippe an meinem Rosé.

Let’s go to bed before we talk about our feelings. Du schaust mich so an, ich weiß nicht, was du suchst, aber ich denke sag es nicht. We just had sex and I think you’re beautiful but I can’t hear these words right now. Weiß nicht, ob das jemals deine Intention war oder vielleicht hast du meinen Blick gelesen, du sagst nichts. Und ich denke was will ich sagen? Nichts, will mich einfach nur im Kontakt mit deiner Haut verlieren, deine Finger in meinen Haaren spüren.

I’m so lost in you and yet I don’t know how I feel.

Im Barkett

Ich habe eine Bar in Schöneberg. Sie heißt Barkett. Ich bin nicht die Besitzerin der Bar, aber sie gehört zu mir auf eine andere Art und Weise. Sie ist meine neue Dating-Bar.

„Und, uhm, wollen wir nicht mal einen Kaffee zusammen trinken gehen?“, frage ich und schaue schnell von ihrem Gesicht weg auf den Boden. Ich tipple mit dem Fuß und knete hinter meinem Rücken meine Mütze. Ich wollte sie das schon lange fragen, habe mich aber nie getraut. „Ja, klar!“. Verblüfft schaue ich wieder hoch. „Donnerstag? Aber vielleicht ist Kaffee nicht gut, lieber ein Bier? Es gibt da diese Bar am Kleistpark, die ich ausprobieren wollte. Barkett heißt sie. Vielleicht dort?“ Und so hat das Ganze angefangen.

Donnerstagabend, 18 Uhr. Ich komme rein und setze mich vorne rechts in die Ecke am Fenster. Zwei runde Tische stehen nebeneinander, auf der Fensterbank sind kleine bunte Kissen drapiert, gegenüber steht ein Stuhl. Ich setze mich auf die Bank.

Als sie kommt, setzt sie sich neben mich. Ich werte das als gutes Zeichen. Wir bestellen zwei Bier und quatschen. Dann bestellen wir zwei Gin Tonic mit Gurke und quatschen weiter. Ihre langen, dunkelblonden Haare wippen lustig hin und her, wenn sie beim Lachen ihren Kopf in den Nacken wirft. Ich rücke näher an sie heran, berühre sie sanft am Arm und versuche, ihre Reaktion zu lesen. Sie reagiert nicht. Dann sagt sie: „Es wird spät, ich sollte nach Hause gehen.“ und ich will sie zum Bleiben überreden, aber auch nicht aufdringlich sein, also frage ich „Bist du sicher?“, sie nickt, wir umarmen uns, steigen auf unsere Fahrräder und fahren in unterschiedliche Richtungen nach Hause.

Donnerstagabend, 19.45. Er sagte, er sei zu spät, also bin ich später losgefahren. Jetzt hetze ich schwitzend auf meinem Fahrrad den Hügel hoch. Als ich ankomme ist er schon da und wartet draußen. Wie ist die Etikette so beim Begrüßen von Online-Bekanntschaften? Er entscheidet sich für eine Umarmung. Wir gehen rein, setzen uns vorne rechts in die Ecke am Fenster und putzen unsere dickumrahmten Hipsterbrillen; seine schwarz, meine lila.

Es bedient mich die gleiche Kellnerin wie beim letzten Mal. Ich frage mich, ob sie sich an mich erinnert, aber sie macht keine Anzeichen. Wir bestellen zwei Bier und quatschen. Er erzählt mir von seinem Job bei Google und seinem Apartment in Kreuzberg. Ich nicke und höre zu. Nach der dritten Runde bin ich angetrunken genug, um zu sagen: „Ich weiß jetzt alles über dich, aber was weißt du über mich? Man stellt doch Fragen, wenn man neue Leute kennenlernt!“ Ich verschlucke mich fast an meinem Bier als er antwortet „Das stimmt, ich bin nervös! Okay, lass mich überlegen. Du hast eben angedeutet, dass dein Verhältnis zu deiner Mutter nicht so gut ist, warum?“ Ich schaue ihn an, schaue mein Getränk an, zucke mit den Schultern und erzähle es ihm.

Anderthalb Stunden Therapiesitzung später taumeln wir Arm in Arm aus der Bar auf der Suche nach etwas mehr Punk. Der Abend endet um halb zwei mit verrauchten Klamotten und einem flüchtigen Kuss, er steigt in die U-Bahn, ich auf mein Rad. Wir verabreden uns für den nächsten Tag und sehen uns danach nie wieder.

Montagabend, 19 Uhr. Ich bin überrascht von meinem Planungstalent und komme pünktlich und frisch am Barkett an. Trotzdem steht er bereits draußen und wartet. Ich hatte vergessen, wie er aussieht, weil ich ihn auf einer Party kennengelernt und erst Wochen später meinen Kumpel nach seiner Nummer gefragt habe. Ich hinterlege eine mentale Notiz in meinem Gehirn: erstaunlich groß, blond und unerwartet attraktiv.

Als wir reingehen, ist die Ecke vorne rechts am Fenster bereits belegt. Stattdessen setzen wir uns auf zwei heruntergekommene grüne Sessel auf einer Bühne am hinteren Ende des Raumes. Wir bestellen zwei Bier und quatschen. Irgendwann kommt ein Kanadier vorbei und verwickelt uns in eine Grundsatzdiskussion über Ghandi. Er verkauft selbstgemalte Sticker, um Geld für eine Operation für seinen Hund zu sammeln. Ghandi gefällt den Deutschen nicht, sagt er. Am Ende nehme ich ihm für 5 Euro Che Guevara und Fidel Castro ab.

Mein Date und ich bestellen weiter Bier. Nach der dritten Runde lehne ich mich in meinem Sessel so weit vorwärts, dass meine Hand auf umständliche Art fast seine Hand berührt. Dann fange ich wild beim Sprechen an zu gestikulieren, damit aus dem Fast hin und wieder „aus Versehen“ ein Ganz wird.
Als mir kalt wird, weil wir direkt unter der Klimaanlage sitzen, bewegt er sich zwei Mal aus seinem Sessel, um die Bedienung (diesmal männlich) zu bitten, sie auszuschalten.

Ich stehe auf, um eine vierte Runde zu bestellen, dann tauschen wir die Plätze. „Perspektivwechsel“, sagt er. Ich nicke und hake unauffällig meinen Zeigefinger unter seinen Zeigefinger unter. Wir trinken weiter, langsam, Schluck für Schluck, folgt der Rest der Hand. Nach dem fünften Bier sagt die Bedienung „könnt ihr schon mal bezahlen? Wir schließen gleich“.

„Wir können zu mir“, schlage ich vor, als wir kichernd in der Kälte stehen. Wir müssen laufen, weil die U-Bahn nicht mehr fährt. Mir ist kalt und er hält mich fest. Meine Navigationsskills sind mit Anstieg meines Alkoholpegels gesunken und wir sind langsam, finden aber trotzdem den Weg. „Meine Wohnung hat nicht besonders viele Sitzgelegenheiten“, sage ich als ich den Schlüssel umdrehe. „Es gibt genau einen Sessel und die Fensterbank.“ Ich lasse mich auf der Fensterbank nieder, er sich auf dem Sessel. Nach zehn Minuten beschwert er sich, also setze ich mich auf ihn drauf.

Der Rest der Nacht verläuft ereignislos: er geht irgendwann nach Hause – ohne Kuss, ohne Sex. Seitdem war ich nicht mehr im Barkett.