Schokoladenseiten

Es ist elf Uhr abends, ich bringe dich zum U-Bahnhof. Wir waren mit den anderen noch in der Bar, aber du hast gesagt, du musst nach Hause, weil du früh aufstehen musst. Wir stehen vor dem U-Bahnhof und umarmen uns zum Abschied, meine Wange an deinem Hals, dafür muss ich mich ein bisschen strecken. Wir stehen eine Weile so da. Ich dachte, du willst gehen, aber du gehst nicht. Stattdessen reden wir einfach weiter. „Ich hab nachgedacht“, sagst du irgendwann. “Ach ja?“ “Ja. Ich hab gedacht, ich werde eh einen Tag in dieser Woche sehr früh aufstehen müssen. Und das ist ja egal, ob das heute ist oder morgen. Also kann ich auch heute noch mit zu dir kommen.“ Ich schmunzle. Eigentlich musst du gar nicht früh aufstehen, wenn du gar nicht bei mir schläfst. Du musst auch gar nicht bei mir schlafen, wenn du nicht möchtest. Aber anscheinend brauchtest du eine logische Rechtfertigung für deine Gefühle, also hast du dir ein Szenario konstruiert. Ich schmunzle, weil ich das so gut kenne. Du weißt das natürlich nicht und ich sage es dir nicht, ich sage nur “Na dann los, gehen wir“ und wir bewegen uns Richtung meine Wohnung.

Ich würde auch nie von dir erwarten, dass wir uns soundso oft sehen. Wir sind “immer noch“ kein Paar, es gibt keine “Regeln“. Trotzdem hast du mich heute nachdem du weggegangen bist gefragt, wie es mir geht und ich habe dir von meinen Regelschmerzen erzählt und du hast mir fünf Tafeln meiner Lieblingsschokolade geschickt. Und ich weiß nicht, warum, aber gerade die Tatsache, dass du mir fünf mal die gleiche Schokolade geschickt hast, anstatt dir zufällig irgendwelche Dinge zusammenzusuchen, die ich vielleicht mögen könnte, um auf den Mindestbetrag zu kommen, finde ich noch einmal extra endearing.

Ich weiß auch immer noch nicht, ob ich das wollen würde – dieses Offizielle. Ich habe gerade das Gefühl, ich bekomme die Vorteile einer Beziehung, ohne deren Verantwortung tragen zu müssen. Vielleicht ist das ein bisschen egoistisch. Vielleicht siehst du das alles auch ganz anders, wir reden ja nicht darüber. Ich habe Angst, das Thema anzuschneiden, weil ich eben nicht weiß, was ich will, weil ich nicht weiß, was ich sagen sollte, falls du mich fragst. Vielleicht habe ich Angst. Vielleicht bin ich noch nicht wieder bereit für Commitment. Oder vielleicht möchte ich gar kein Commitment. Weil ich nicht glaube, dass ich das geben kann, was man dazu braucht. Aber ich möchte für dich da sein. Ich möchte, dass du mit mir redest, wenn du etwas brauchst. Ich will dich nicht kaputtmachen.

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