MonatJuli 2016

Depression ? Hedonismus

Kopf gegen Körper ist Geist gegen Materie ist Drogen gegen Müdigkeit

| Lichter blitzen, ich sehe alles doppelt, versuche, die Colaflasche in meiner Hand zu fokussieren, sie fällt zu Boden und zerberst. Ich hebe den Kopf, meine Lunge zieht sich zusammen, der Riemen meiner Handtasche fühlt sich an, als würde er sich durch meine Kleidung in meine Haut brennen und darauf schmelzen. „Dein Kopf ist stärker als dein Körper“, denke ich als ich mich durch die Menge tanzender, schwitzender Leiber presse. Drei Tage wach und in 40 Stunden nicht mehr gegessen als eine Brezel und ein Stück Pizza bei Ditsch ist die neue Definition von gesunder Ernährung. Das Sonnenlicht draußen blendet, aber das Wichtigste ist, dass die Party immer weiter geht.

Um 10 Uhr morgens aus dem Club taumeln, die Lider halb geschlossen und die Pupillen tellergroß durch die Straßen von Berlin ziehend auf der Suche nach gutem Kaffee in billiger Atmosphäre. Dann mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf einem Hügel im Park liegen umgeben von der täglichen Routine der Anwohner, Spaziergängern, Kindern, Musikern, Dealern, die ihrer Arbeit nachgehen. Und runterkommen. Stempel auf den Armen sammeln als Zeugen einer gelungenen Nacht ausgestellt wie die Pokale in der Vitrine im Wohnzimmer. Weiterziehen, weiterziehen, weiterziehen. Rastlos, ruhelos, schlaflos, nur jung, dumm, aufgeregt und nutzlos.

Ich: Wir hatten einen Deal. Keine anderen Drogen außer Gras haben wir gesagt.
Er: Ich bin nicht stolz auf dich. Aber ich sitze restalkoholisiert im Kurpark auf der Suche nach Ott auf Pump. Wer bin ich schon?

All these days I’ve been broken and hopeless and I
And I don’t feel like I’m coping, I’m hoping that I
That I can live and let go, so I can get through it

Grobe Zusammenfassungen

Ich: Ich bin heute irgendwie frustiert, weil wegen blablabla.
Freundin: Wollen wir zusammen Curry kochen?
Ich: Ja, voll gern, aber hab wenig Zeit, bin um 17h verabredet und muss noch das und das machen. Aber wenn du jetzt direkt vorbeikämst könnt ich dich noch dazwischenquetschen.
Freundin: Magst du herkommen?
Ich: Schwierig, muss später hier in die Nähe wieder hin.
Freundin: Dann wann anders.

Muss ich das jetzt verstehen?

Und noch:
Ich: „Hey, you, I just wanted to say that I like you and that I’m thinking about you. ’s all. Good night, you!“
Er: „Ha-ha, are you the drunk one now?“

Nein man, ich war komplett nüchtern, kam von der Arbeit und konnte nicht schlafen. Ich hab mich wenig gemeldet in letzter Zeit und bin viel unterwegs und wollte dir noch mal mitteilen, dass ich dich nicht vergessen habe und dich auch immer noch gern habe, auch, wenn ich das momentan vielleicht nicht so zeige. Aber okay, danke.

Vielleicht bin ich einfach nur empfindlich in letzter Zeit.
Wie ist das alles überhaupt passiert? Aus einem „hey, I think this is not good for our friendship“ ist im Lauf der Zeit irgendwie ein „tell me you love it when I choke you!“ geworden. Genauso wie sich ein „we should just be friends“ zu einem „you’re mine and you don’t have a say in this.“ gewandelt hat. Was zum Teufel? Wann hat das alles stattgefunden?

Ich komm nicht mehr mit.

Stellungskrieg

Ich bin ein kontrollierter Mensch. Ich weiß, was ich fühle und warum. Die Gesichtszüge entgleisen mir selten, ich werde nicht rot, wenn ich lüge. Nur: ich kann dieses Lachen nicht abstellen, es verrät mich. Und es schützt mich. Ich lache, wenn ich mich unwohl fühle, grinse, wenn es mir schlecht geht und wenn die Welt über mir zusammenbricht, dann laufe ich tanzend mit einem Lächeln auf den Lippen durch den Regen, weil ich nicht aufhören kann. Und irgendwann verschwimmen die Grenzen zwischen Schauspielerei und Realität.
Ich hab mich zurückgehalten. Ich hab mich kontrolliert. Vielleicht wollte ich es auch nur nicht wahrhaben und es war die ganze Zeit schon da. Aber du hast Recht.

Du hast gewonnen.

Übertreiben und Schlafen

Ich bin so Dualismus, bin so mal oben mal unten, mal Manie, mal Depression, bin so konträr arbiträr ambig. Mit dem Kopf auf dem Tisch und den Gedanken in der Luft erledigt sich die Arbeit für die Uni nicht von allein, aber ich kann nicht anders. Ich bin produktiv in meiner Unproduktivität, kreativ in meiner Unkreativität, Meisterin der Prokrastination. I want you so badly, sagst du, give me you, come over here, sagst du. Und meinst: I want to sleep with you. I want you, too, sage ich, I’m yours, sage ich, und meine: I like you, I miss you, I want you to be here und gleichzeitig I’m not the loving one, I love to be single. Is this purely on a sexual basis?, frage ich, yeah, why not?, antwortest du und am nächsten Tag: Good morning, you. Wir tanzen um Gefühle herum. Wir sind beide so: Nähe und Distanz. Bin da. Bin weg. Bin überall und nirgendwo. Es könnte eine ganz normale Affäre sein, wenn du nicht so weit weg wärst. Was ist der Sinn einer Affäre, wenn zwischen den beiden Beteiligten mehrere tausend Kilometer liegen?

Alles fließt

Wer hat Schuld?
Fragt man die Kleinen, sind es die Großen. Fragt man die Großen, sind es die Kleinen. Fragt man die Kapitalisten, sind es die Kommunisten. Fragt man die Kommunisten, sind es die Kapitalisten. Fragt man die Slawen, sind es die Westler. Fragt man die Europäer, sind es die Amerikaner. Fragt man die Amerikaner, sind es die Asiaten. Und immer so weiter. Und immer im Kreis. Die Schuldfrage dreht sich. Trotzdem stellen wir sie immer wieder. Wer hat Schuld?
Aber: wer kann überhaupt Schuld sprechen? Nur der, der ohne Sünde ist? Niemand also. Warum brauchen wir dennoch Schuld? Um unser Gewissen zu beruhigen. Wer bewacht die Bewacher? Die Bewachten. Schuld nimmt kein Ende, sie wird nur weitergereicht wie Wassereimer in einer Menschenkette, die versucht, ein Feuer zu löschen.
Wissen wir es besser? Wussten wir es wirklich nicht besser? Ich bin der Erste. Ich bin schuld. Die Realität ist schuld, dass ich so bin.
Ich ziehe meinen Stein zurück.

Davor//Danach

Keine Zeit für irgendwas, dafür viele Panikattacken. Gestern saß ich am Bahnhof Friedrichstraße auf der Bank und las mein Buch, als ich plötzlich „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott!“ rufend anfing, wild mit den Armen zu wedeln.
Das muss aufhören. Diese Angst muss aufhören. Diese ganze Depressivität muss aufhören. Leben ist warten auf den nächsten Moment, den besseren Moment. Warten auf die Manie-Phasen in denen man alles geregelt kriegt, die sich anfühlen wie auf einer Slackline über den Abgrund zu balancieren; man hat fürchterlich viel Adrenalin und fühlt sich gleichzeitig schrecklich instabil, der Abgrund ist da, man kann ihn sehen, ein Windzug und man fällt wieder. Ich renne im Kreis. Und dann wieder. Und dann wieder. Und dann wieder.
Ich soll Montag zur Sprechstunde meiner Dozentin. Mein Referat sei so gut gewesen, sie wolle mit mir reden. Was will sie nur?
Und warten. Warten. I’m the loving one. I don’t like it when you’re drunk and I am not, feels like I’m missing out. Und Angst vorm danach. Danach ist ein böses Wort.
Alles bleibt konfus.