Geradeauslaufen
Das Leben von jemandem, der zum Entspannen Walisisch lernt und mit dem Stuhl kippelnd, UKF Liquid Drum & Bass Radio hörend, Übersetzungen über zypriotische Strände anfertig, wie sieht das aus?
Hier entlang bitte. So sehen nämlich die meisten meiner Tage aktuell aus. Ich tobe mich bei den doch eher eintönigen Übersetzungen auch ein bisschen kreativ aus. Da reihen sich keine „Blumen und Bäume entlang des Pfades an“, sondern „am Pfad stehen Blumen und Bäume Spalier“, jawohl. Hier herrscht nämlich noch Ordnung.
Am Donnerstag im Café Afrika habe ich mit jemandem gesprochen, mit dem ich offensichtlich schon vorigen Donnerstag geredet habe, an den ich mich aber nicht mehr erinnern konnte. Er hat mir eröffnet, das, als er mich das erste mal gesehen hatte, er überzeugt gewesen sei, ich müsste Russin sein, denn man hatte ihm gesagt, außerhalb Russlands gäbe es keine hübschen Frauen. Entschuldigung für die Enttäuschung.
Dieselbe Richtung: den Nevsky mit einer amerikanischen Freundin hinunterwandernd hält uns plötzlich ein Kerl an und redet aufgeregt auf Englisch auf uns ein. „Woher kommst du?“, fragt er, und man antwortet: „aus Colorado.“ „Du klingst aber gar nicht so dumm“, sagt der Mann und führt fort „In Colorado gibt es ja nur Landwirtschaft und Ackerbau“.
Heute ist день города, Tag der Stadt, Piters Geburtstag. Der Nevsky ist voll, aber dann wiederum – der Nevsky ist immer voll. Nichtsdestotrotz war ich heute wagemütig und begab mich in die Fänge des Ethnologischen Museums, ein Freund von mir tanzte dort. Übrigens derselbe Freund, mit dem ich letztes Jahr litauische Volkstänze getanzt und danach zu viele Whiskey-Shots gestürzt habe. Es war interessant, aber nicht spannend, also gibt es auch nicht viel zu berichten.
Meine Perspektive auf Dinge ist dieses Jahr ein wenig anders als letztes Jahr. Aber ich laufe auch nicht mehr Hand in Hand taumelnd durch die Straßen. Das nächtliche Sankt Petersburg verschwimmt diesmal nicht hinter einem Schleier von Trunkenheit und Liebe und Aufregung, es verschwimmt, wenn überhaupt, im Regen. Ich habe diesen Ort der Magie zu einem Ort der Gewohnheit gemacht – zu einem Zuhause. Vielleicht habe ich dieses alles verschlingende Verlangen, zurück zu kommen, erstickt – und das ist gut, es macht mich freier.
Letztens habe ich aus meinem Fenster heraus einen Regenbogen beobachtet, siehe Bild.
Ich würde gerne leiser machen, aber kann ich nicht.