Nichts leuchtet

Heute Mittag in der Uni zwischen Laptop und einem Stapel aufgeschlagener Bücher ist mir schlagartig klar geworden: Samstag 12 am. Das ist die Deadline. Danach werde ich ihn nie wieder sehen. Und plötzlich fühlt es sich so an, als sei alles in meinem Kopf  einmal von innen nach außen gestülpt worden, mir wird schlecht, meine Kehle ist wie zugeschnürt, ich lege meinen Kopf auf den Tisch, damit niemand sieht, wie ich anfange zu zittern, fühle mich trotzdem beobachtet und muss die Bibliothek verlassen. In der Bahn erstarrt mein gekünstelt desinteressierter Blick auf der Fensterscheibe während ich die Musik laut drehe, um meine Umgebung nicht wahrzunehmen. Ich versuche, tief ein und aus zu atmen und denke: reiß dich zusammen. Es sind nur 15 Minuten, aber sie fühlen sich an als spielte ich die Hauptrolle in einer Erstaufführung im Theater – alle beobachten mich, alle bewerten mich. Als ich endlich an meiner Haltestelle ankomme halte ich mich an meinem Telefon fest, ein Schritt, noch ein Schritt, noch ein Schritt, aber nicht rennen, werd nicht panisch, es ist alles gut, die Welt dreht sich.
Gestern in der Prager Metro war alles okay. Ein Abschiedskuss, dann gehe ich mit Schwung durch das Drehkreuz und ich weiß: kein zurück mehr jetzt. Aber mir geht’s gut, ich freue mich sogar und fühle mich leicht, unbeschwert, beschwingt. Beim Training laufe ich in Rekordzeit, ich bin gestresst, aber irgendwie glücklich.
Jetzt ist alles auf einmal so nah. Ich fühle mich unglaublich zerbrechlich und empfindlich. Meine Haut ist aus Glas. Mein Kopf inzwischen: leer. Mein Herz: auch leer. Ein leeres Mädchen in einem leeren Haus, eingepfercht zwischen hohlen Phrasen von Verlust und es geht immer irgendwie weiter. Die Lampen sind aus. Nichts flackert. Keine Kerze brennt. Nichts ist erleuchtet. Es ist dunkel draußen, drinnen.

 

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