Schlagwortrussland

Meine liebste Phrase

Gestern wurde ich gefragt, was denn meine liebste deutsche Phrase sei. Ich konnte nicht antworten – beim ganzen Hin- und Herschalten zwischen Englisch und Russisch habe ich mein Deutsch irgendwo vergessen. Aber nicht schlimm, als ich heute gefragt wurde, ob ich ins Marinski Theater gehen möchte, es gäbe da jemanden, der billig an Tickets kommt, fragte ich meine Freunde nach Begleitung – und erntete nur Ablehnungen. Theater? Ballett? Oper? Nichts für mich! „Kulturbanausen“, dachte ich und da war sie: eine meiner liebsten deutschen Phrasen. Wie übersetzt man das ins Russische? Ich habe nur gesagt „Leute, die Kultur nicht mögen“, aber ich finde, das ist nicht alles. Ich sah mich heute mit dem Vorwurf konfrontiert, man habe im Deutschen ja für alles ein Wort, zur Not denke man sich eben eins aus, man könne ja alles zusammenfügen, wie es einem passe. Ja und nein. Ich war ja schon immer der Meinung, dass dem Deutschen so manche Spezifika fehlten, aber Kulturbanause ist eines, das ich brauchbar finde. Ich habe das Gefühl, ich lerne hier in Russland mehr über meine eigene Sprache und Kultur als alles andere. Dinge, über die man sich Zuhause nie Gedanken macht. Besonders interessant zu beobachten ist auch das Aufeinanderschmettern von Briten und Russen. In meinem Sprachkurs sind ausschließlich Briten. Alles nette Menschen, aber total reserviert. Höflich, aber kein Stück neugierig. Und auf der anderen Seite die extrem wissbegierigen, äußerst einladenden Russen. Kommst du mit zur Geburtstagsparty? Willst du mit uns Hockey spielen? Gehst du ins Theater? Komm doch mit! Das klingt ein bisschen stereotyp, in Schubladen gepackt und mit Aufklebern versehen, aber jedes Klischee enthält ein Körnchen Wahrheit.
Mein Ziel für diese Reise: sich mit den Briten zu betrinken. Challenge accepted!

Only in Russia

Tja. Da bin ich nun. In St. Petersburg. In Russland. Ganz wirklich. Für mindestens acht Wochen.
Wie aufregend.

Ich bin seit nunmehr einer Woche hier und habe schon dieses typische Heimatgefühl entwickelt, alles fühlt sich so ewig an. Und so russisch. Vor allem so russisch. Petersburg zeigt sich von seiner besten, winterlichsten Seite: verschneit, kalt und irgendwie geheimnisvoll leuchtend-düster. Es wird nicht richtig dunkel, weil das Licht der Straßenlaternen nachts das strahlende Weiß reflektiert. Was gibt es über Russland zu sagen? Es ist alles wahr. Alles, was man immer so hört. Gestern war ich auf einer russischen Geburtstagsfeier. Plötzlich ist einer der Gäste aufgestanden und hat beschlossen, eine neue Glühbirne anzubringen. Als ich ihn darauf hinweisen wollte, dass er doch vorher den Strom abstellen müsste, hat er das Licht ausgemacht. Dann wurde gelacht. Er hat überlebt. Und jetzt die Frage: sind wir spießig, oder sind die lebensmüde?
Wahrscheinlich beides, irgendwie.
Aber die Menschen sind wundervoll. Zumindest die, die ich bisher kennenlernen durfte. Ich bin nun auch offiziell Russin, ich habe Bruderschaft getrunken, über Kreuz, auf Ex, drei Küsschen, немецко-русская дружба, deutsch-russische Freundschaft.
Es sind die kleinen Dinge.

 

NACHTRAG: Er hat natürlich nicht nur einfach eine Glühbirne gewechselt. Er hat eine neue Lampe installiert an der Decke. Der Punkt ist: es wurde an Kabeln herumgefummelt. Ich finde das besorgniserregend!