MonatJanuar 2018

ach, berlin

mich überkommt immer wieder das dringende bedürfnis, alles aufzuschreiben
aber es passiert einfach nichts
wie wär’s mit einer karriere als schriftsteller, der nichts sagt?
ein nüchternes leben
fern jeglicher inspiration

an der warschauer brücke tummeln sich die touristen,
aber das interessiert mich nicht
ehrlich gesagt machen sie mir ein bisschen angst
diese gesichtslose masse, die so reiseführerdesorientiert die straßen entlangschlendert
aufgeregt auf jedes neue graffiti zeigend
gestikulierend,
die punks mit dem „need € for weed“ schild mit missmutigen blicken entwürdigen
selfies mit honecker
jongleure auf der stralauer allee wissen genau, wie lange die ampel rot ist
mir wäre das ja zu stressig
ueberall riecht es nach urin und obdachlosen
auf dem weg zur uni vergrabe ich meine nase tief in meinem kaffeebecher, wiederverwendbar
aber ich nicht, ich bin wegwerfware
über die friedrichstraße weht ein hauch von tierversuchsfreier seife, chanel no5 und bratwurst,
glasgebäudegiganten neben rosasanierten altbauten
die architektur hier war ganz schön, bis die moderne kam und bagger mitgebracht hat
einkaufszentren epischen ausmaßes verschlingen jegliche authentizität und
konsumieren war noch nie so anstrengend
ich fürchte den tag, an dem ich eine neue hose kaufen muss
300 hilfsbereite azubis wollen mir ihren schlechten geschmack andrehen
ich kaufe, damit sie mich in ruhe lassen und bestelle dann zuhause doch online
mit einem sternie in der hand lässt sich das alles leichter aushalten,
so sitze ich in der ständig überfüllten bahn,
mit den ständig überforderten leuten,
wo man der menschheit
niemals entkommen kann,
gefangen
in dem geruchspendel zwischen parfümerie und drei wochen nicht gewaschen
und der kakophonie von straßenmusikanten und babygeschrei
jeder weg ist eine odyssee, in der man sich verliert
ich weiß nicht genau, wohin mit mir
aber das weiß hier eigentlich niemand so richtig.

Beobachtungen #398

Ach, wie furchtbar langweilig es ist, wenn man Zuhause sitzt und sich mit Büchern in die Ferne träumt, aber draußen regnet es und es geht immer nur um’s Geld, Geld, Geld.

ES SCHNEIT FETTE FLOCKEN, oder wie wär’s mal mit einem Panoramawagen in der S-Bahn?

Zwei dem Zoo entlaufene Alpakas mit DB-Sicherheit-Westen schlenden den Bahnsteig hoch und runter, währenddessen streit ein Cowboy, sein Brot fest umklammert, ziellos umher.

Nichts kann einem so erfolgreich die Freude ins Gesicht schreiben wie ein frischer, dampfender Kaffee um 7 Uhr morgens.

Fotoshooting in der S-Bahn, ein Mann kniet auf dem Boden, der andere räkelt sich an der Stange, schlechte Beleuchtung, aber zwei verschiedene Handys.

Manchmal flüchte ich mich in eine Parallelwelt, in der Menschen nicht im Buseingang stehen bleiben oder Mitten auf der Straße oder auf der Treppe ODER ÜBERHAUPT, GOTTVERDAMMT.

Jemand malt eine lachende Sonne an das beschlagene Busfenster, wie herzerwärmend.

Ein Mann im Zeitungskleid lässt am Bahnhof Möckernbrücke kleine Zeitungsmännchen an Stöckern tanzen – welch Abbild seiner selbst! – und begleitet dieses Schauspiel mit einer Mundharmonika.

Und als ich vor der Wahl stand zwischen Kaffee und Obstsalat, weil ich mir beides zusammen nicht leisten konnte, dauerte es nur eine Sekunde, bis ich mich schließlich für Kaffee entschied, weil wach sein wichtiger ist als gesund sein.

ich bin gerade frustriert. es ergibt einfach keinen sinn, mit dem kiffen aufzuhören, wenn kein extremes abhängigkeitsproblem besteht. es ist doch völlig okay, manchmal der realität entfliehen zu wollen – vor allem, wenn jede sekunde, die man allein, unbeschäftigt und nüchtern ist, bedeutet, dass man entweder unglücklich ist, angst hat, oder depressiv im bett liegt. alkohol trinken macht viel weniger spaß und ist bei weitem nicht so effektiv und entspannt. ich verstehe diese politik nicht, natürlich, es leuchtet mir ein, dass man nicht völlig breit zur behandlung erscheint jeden tag, aber das kann man doch auch anders sicher stellen, weshalb muss man dafür völlig clean sein?

I know that she don’t mind

Ich hätte gerne viele Dinge. Wer hätte das nicht? Ich habe gerade ein paar Bilder marginal bearbeitet und mich überkommt wieder der Wunsch, a) mehr Fotos zu machen (ein bisschen blöd nur so, ohne Kamera), und b) welche davon als Poster groß auszudrucken und aufzuhängen, meine Wände sind so hoch, hier ist überall so viel Platz, dann kann man endlich die ollen mittlerweile bis zu sechs Jahre alten Bandposter mal abhängen und ein bisschen „Kunst“ hineinbringen.

Mein neues Jahr läuft bisher ganz gut. Von bisher 9 Tagen habe ich 7 davon mit zumindest teilweise ‚glücklich‘ markiert. Ich habe ein paar Dinge erledigt, die ich schon lange in Angriff nehmen wollte: ich war bei IKEA und habe Wein- und Aufbewahrungsgläser gekauft und die Küche ein bisschen sortiert. Ich habe außerdem endlich eine neue Verteilersteckdose besorgt. Das ist doch schon mal was.

Ferner habe ich am 03. Januar offiziell aufgehört zu kiffen – nicht, weil ich das unbedingt will, sondern, weil ich sonst nicht in die Klinik darf, und das ist für mich momentan wichtiger als alles andere.

Ich möchte kreativer sein, weil ich weiß, dass mir das gut tut. Letztens habe ich den ganzen Tag Gitarre gespielt und Bass und es war so ungeheuer befriedigend. Ich sollte generell mehr Dinge tun, die befriedigend sind, unter Anderem:

• In der Bib sitzen mit einem Stapel Bücher und sich Wissen aneignen
• Gitarre/Bass spielen
• Geschichten schreiben
Kreativ sein
• Dinge zuende machen
• Sortieren, ordnen, aufräumen

Nur mal so zur Auswahl.

Morgen ist wieder Bandprobe und inzwischen freue ich mich auf Mittwochs, ich fühle mich weitaus weniger unsicher und fehl am Platz als noch am Anfang. Ich möchte auch wieder zu meinem Literaturkurs gehen, dafür habe ich mir extra die gesamte Novelle durchgelesen und dazugehörigen Film geschaut (The Stepford Wives) und eine Nacht lang wach gelegen, weil ich davon Alpträume hatte.

Gestern war ich bei dm und habe für über 30€ eingekauft und mich dann richtig weiblich gefühlt, hauptsächlich war mein Einkauf aber deswegen so horrend teuer, weil ich die Hälfte davon für eine Menstruationstasse drauf gingen – jetzt schon mein Highlight des Jahres, ich wusste nicht, dass seine Tage haben so angenehm sein kann. (Selbstnotiz: vielleicht hängt damit mein momentanes Tief zusammen, darüber habe ich mir irgendwie noch nie Gedanken gemacht. Es ist ein bisschen merkwürdig, meine Periode ist immer einfach auf einmal da, ohne Ankündigung [meistens], auf einmal ist sehr viel Blut da und dann ist es wieder plötzlich weg, da erschließen sich mir so Zusammenhänge mit Stimmungsschwankungen nicht; mal ganz abgesehen davon, dass ich die sowieso ständig habe).

Das Bild ist aus Venice, CA und soll mich daran erinnern, dass es auch wärmere Orte gibt als mein Zimmer, dessen Temperatur mich eben schon dazu verleitet hat Dinge wie „GANZ WARMER PULLI“ und „MIR IST SO KALT“ zu googlen und daraufhin ein halbwegs hörbares Marsimoto Lied („Mir ist kalt“) zu finden.

Ich bin heute wieder so profoundly unhappy, und ich finde, das ist eines der schlimmsten Gefühle; es geht so tief und ist nicht ganz fassbar, hat dabei keinen Grund, keine Ursache, es ist einfach da und nimmt dich mit, zieht und zerrt an dir und zerdrückt deine Seele. Es ist sinnlose Traurigkeit par excellence, Existenzuneinigkeit zwischen deinem Kopf und deinem Körper und es ist so schwer, dass du dich nicht bewegen kannst, nur leise nach Luft schnappen zwischendurch, wenn dir einfällt, dass du lebst und dass das alles real ist. Es fühlt sich an, wie von einer dicken, schwarzen Samtdecke eingehüllt zu werden, man sieht nichts, hört nichts und alles ist dunkel, alles andere ist weit weg und du bist völlig absorbiert, gefangen, befangen, eingesponnen in dunkler Orientierungslosigkeit.

Wiedemauchsei. Ich bin deprimiert, weil ich verreisen möchte, aber ich muss auf meinen Bafögbescheid warten. Eine große, große Last wird von mir abfallen, falls sich das Amt dazu niederlässt, mir weiterhin Bafög auszuzahlen. Falls nicht.. falls nicht muss ich mir irgendetwas Kreatives einfallen lassen, wie ich meine Rückmeldegebühren bezahlen und mich die nächsten Monate finanzieren soll.

Ich möchte Liebe. Es ärgert mich, dass ich letztes Jahr alle diese tollen, neuen Menschen verschreckt und verscheucht habe.

Eine dünne Wand trennt mich von fröhlichem Gekicher. Für wie lange noch?

frohes neues?

  1. Ich war heute beim Vorgespräch. Es fing natürlich schrecklich an, wie immer. Erst habe ich den Weg zur Psychiatrischen Institutsambulanz nicht gefunden. Dann war ich in der falschen Tagesklinik. Dann noch mal, obwohl dort ein Schild stand „Anmeldungen zum Infogespräch in Raum 10“, aber in Raum 10 war niemand. Beim Versuch, die Tür zu öffnen kam ein Pfleger an mir vorbei und sagte „Niemand da? Hm, schade“ und verschwand den Gang hinunter. Nichts passierte. Nach einer halben Stunde rief ich Ansgar an, der mir riet, noch mal in das andere Haus zu gehen und zu fragen, was ich tun solle. Die haben das Sekretariat angerufen und mich weiterverwiesen und mir dann aus dem Fenster noch mal extra hinterhergerufen, wo ich hin gehen muss, denn ich war wieder in die falsche Richtung unterwegs. Dann fand ich den Eingang nicht, denn auf der einzigen sichtbaren Tür stand „KEIN ÖFFENTLICHER DURCHGANG“, doch dann trat eine ziemlich öffentlich und zivil aussehende Person aus ihr hinaus und ich schlüpfte hinein. Die Sekretärin war unglaublich nett und hatte absolut Verständnis für meine Verwirrung und auch die Psychologin war wahnsinnig toll. Randnotiz: Frau Matthies, die Psychologin, fragte mich, ob ich mich jemals selbst verletzt hätte. Ich bejahte und sagte, dass ich aber vor ein paar Jahren aufgehört hätte, sie fragte wie, ich nannte ihr meine Gründe und sie äußerste ein verblüfftes „Wow, das ist ja toll!“ – das habe ich noch nie von jemandem gehört, und es hat immens gut getan, einmal bestätigt zu bekommen, dass, ja, dass das etwas ist worauf man stolz sein kann. Jedenfalls muss ich jetzt jeden Montag da anrufen, um mir meinen Platz im Diagnostik-Programm zu sichern und ich glaube, das Ganze wird ein Jahresvorhaben.
  2. Ansgar war gestern nicht da bei der Bandprobe, und das bedeutete, dass ich mit meinem Bass quasi das Leadinstrument war, weil Daria nicht so gut und flüssig Gitarre spielen kann. Also viel Verantwortung – auch das hat sich irgendwie gut angefühlt.
  3. Ich möchte über die Ansgar-Sache nicht schreiben, das macht sie zu real, und sie darf niemals real sein. Ich möchte sie aber erwähnen, damit ich rückblickend weiß, dass das etwas ist, das mich mal eine Weile beschäftigt hat. Ew.