On a whim
Zugegeben, als ich in San Francisco ankam war ich schon etwas zerstört. Nachdem ich mir den Rucksack vernünftig auf den Rücken geschnallt hatte und das Auto um einige Meter hinter mir gelassen habe, wurde mir erst die ganze Tragweite der Situation bewusst. Während der paar Schritte zur BART-Station formte sich ein Kloß in meinem Hals, ich musste ein mal heftig schlucken und kurz blinzeln, um meine Fassung wieder zu erlangen. Da war sie wieder, die Einsamkeit. Die Sorge, was als nächstes kommt. Die Unvorhersehbarkeit, die ich so gemütlich abgelegt hatte für ein paar Tage.
Aber der Reihe nach. Ich wollte ja eigentlich am Freitag von LA nach SF trampen, hat aber nicht geklappt. Es sind irgendwie zu viele Dinge dazwischen gekommen. Ich wurde im Auto zu den schönsten Klippen und Stränden der Stadt kutschiert, durfte mich im Supermarkt austoben und auf der gemütlichsten Couch der Welt schlafen. Dann saß ich ein paar Stunden verwirrt in der Sonne rum und habe gewartet. Darauf, dass etwas passiert. Und es passierte etwas. Ich hatte das große Glück, auf Couchsurfing jemanden zu finden, der zu einem Businesstrip in Los Angeles war. Er hatte ein freies zweites Bett im Hotel übrig, ein Mietauto und ganz viel Zeit. Ich weiß, das klingt im ersten Augenblick ziemlich alarmierend. Ich war auch alarmiert. Aber es war wirklich ziemlich großartig. Am Samstag sind wir spontan nach La Jolla gefahren, das ist eine kleine Stadt kurz vor San Diego. Da gibt es Robben! Auf Steinen! An der Küste! Und die machen ganz aufgeregte Robbengeräusche und sind furchtbar niedlich mit anzusehen. Und da wir uns nicht umsonst vier Stunden durch den Stau gekämpft haben, sind wir von da aus noch weiter nach San Diego, weil wir noch ein bisschen das Nachtleben genießen wollten. Allerdings hatte ich Kopfschmerzen, weshalb ich kurz in einer CVS Pharmacy Halt machte und mir Ibuprofen kaufte.
Fehler. Wir hatten gerade unser Dinner in einem fancy mexikanischen Restaurant beendet, da haben die Tabletten nämlich angefangen zu wirken. Und ich war unfassbar high. Denn anscheinend ist neben dem Ibuprofen in den kleinen Kapseln noch ein anderer Wirkstoff enthalten, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Das Ende vom Lied war dann jedenfalls, dass wir wieder zurück nach LA fahren mussten – ohne Nachtleben. Allerdings hatte jemand die Tür von der Tiefgarage geschlossen, in der unser Auto geparkt war, also saßen wir erstmal fest. Während Harsh mit der Polizei telephonierte, streunerte ich verwirrt in der Gegend herum, bis mich zufällig jemand bemerkte und die Tür öffnete. Neben dem Gefühl, auf den Sitz zu schmelzen, habe ich dann die komplette Fahrt über bis zurück ins Hotel geschlafen. Was wohl die Kellner aus dem Restaurant gedacht haben müssen? Dass man mich unter Drogen gesetzt hat, um mich zu entführen? Am nächsten Tag habe ich dann gesehen, dass man AUF GAR KEINEN FALL mehr als zwei Tabletten innerhalb von 24 Stunden nehmen darf – ich hatte drei. Ähm, ups. Soviel dazu.
Die restliche Zeit in LA bestand aus im Stau stehen, zu schönen Orten fahren, essen, chillen. Gestern sind wir nach San Francisco gefahren und es war einfach so unglaublich langweilig, Kalifornien Inland ist nicht wirklich interessant – ein paar Hügel und ganz viel vertrocknetes gelbes Gras. San Francisco jedoch.. ist alles das, was LA nicht ist. Eine richtige Stadt – kein lose zusammengewürfelter Verbund 88 individueller Gemeinden. Mit einer richtigen Küstenlinie. Es ist aber auch ein bisschen Parallelwelt. Wenn man hier, generell in Kalifornien, jemandem entgegen kommt und sich anschaut, dann folgt ein bizarres Ritual, bei dem dir ein „Hey, how are you?“ entgegen geschleudert wird und du musst ganz schnell „great, how are you?“ antworten. Mein Gehirn macht das allerdings noch nicht so mit, deswegen antworte ich meistens mit „thanks, you too!“ und ziehe verwirrte Blicke auf mich.
Ein weiterer Grund für dieses Alternative-Reality-Feeling ist der Hippie Hill. Ich wollte nur ein bisschen im Park spazieren, aber nach fünf Minuten hatte ich drei Angebote für Gras, eins zum Rumhängen, vier Menschen, die mir einfach einen schönen Tag gewünscht haben, einer, der sich für meine Anwesenheit bedankt hat und zwei Komplimente für mein Kleid.
Ansonsten: gestern war ich auf einem kleinen Pub Crawl durch SF. Wir müssen wirklich alle anfangen, weniger zu trinken. Morgen. Denn morgen ist Schere-Stein-Papier Turnier.
Sehr gut, du machst Bilder!
Das klingt schon super interessant (nicht die Einsamkeit, die braucht keiner), dieses seltsame Paralleluniversum :o ich wäre da auch sehr versucht zu sagen „thanks, how are you?“ – schön höflich, wie man es in der Schule gelernt hat.
Wann kommst du zurück? :'(