Der Prozess
Man merkt, ich bin nicht sonderlich motiviert über meinen Russlandaufenthalt zu berichten. Das liegt einerseits daran, dass ich erst mal damit beschäftigt war, die Scherben meiner Erinnerungen zusammen zu kehren. Und andererseits daran, dass ich dafür im Gegenzug fleißig versuche, alle Puzzleteile in meinem Kopf neu zusammen zu fügen.
Der verzweifelte Kampf mit der Organisation meiner Uni ist ein Kampf gegen Windmühlen, den ich inzwischen aufgegeben habe. Dann kann ich eben nicht die Texte für meine Seminare lesen. Dann gehe ich eben nicht zur Vorlesung, wenn sie schon wieder auf einen anderen Zeitpunkt verschoben wurde. Dann feiere ich halt solange, bis die Metro morgens wieder fährt und komme dann um 7.30 nach Hause, setze mich in die Küche und schlinge Nudeln mit Ketchup in mich hinein, während der Typ neben mir frühstückt. Bewältigungsstrategien. Aber, immerhin: ich habe eine neue Wohnung gefunden. Das Zimmer teile ich mir mit einer Freundin, die Küche ist riesig, unsere Kammer hat 25m². Stadtzentrum, Metro-Jackpot Sennaya/Sadovaya/Spasskaya. Der Koffer ist schon halb gepackt, in den nächsten Tagen werde ich umziehen. Ich weiß nicht, genau, worauf ich warte; momentan darauf, dass meine Wäsche trocknet. Außerdem brauche ich noch Bettwäsche. Und ich möchte nicht alleine sein an diesem neuen, unbekannten Ort, denn Zoe muss noch ein paar Tage warten, bis sie ausziehen kann. Also kann ich mich auch noch ein wenig in Geduld üben.
Noch bin ich nicht ganz glücklich, ein paar düstere Schatten wabern noch in meinem Kopf herum. Doch es geht bergauf, stetig, langsam, Stück für Stück. Natürlich verschwende ich meine Zeit, aber was soll man sonst mit seinem Leben anfangen?