MonatAugust 2022

Auf Usedom

Im Urlaub – so richtig, ganz entspannt, zu zweit, in einer Ferienwohnung, mit so etwas wie einem Plan, irgendwie erwachsen. Irgendwie fühlt es sich gut an. Ich sitze im Bett und schreibe an der Abschlussbroschüre für mein Projekt, R. sitzt am Tisch und feilt an seinem Projektbericht. Stille, Tippen, zwischendurch eine Frage nach Synonymen oder ein verzweifeltes Seufzen. Co-working oder so.

Heute war schön, es gab viele Gefühle. So viele Gefühle, dass ich eben beim Abendbrot kurz durchatmen musste, Pause machen musste, meine Mimik entzerren musste. Den ganzen Tag mit einem anderen Menschen verbringen heißt auch, den ganzen Tag sein Gesicht aufzuhaben.

Nur du und ich und niemand sonst in dem ganzen sumpfigen Vogelreservat. Es flattert und zwitschert um uns herum, in der Ferne fahren Schiffe auf der Swine. Wir stehen auf einem verlassenen Aussichtsturm und schauen uns die leere Landschaft an. Du nimmst mich in den Arm, schaust mich an, ich denke: ich liebe dich. Ich küsse dich oder du küsst mich, ich muss mich auf die Zehenspitzen stellen, ein bisschen zumindest, du lachst, ich lache und denke: ich liebe dich. Du schließt deine Augen und legst deine Stirn auf meine Stirn und nimmst mein Gesicht in deine Hände, ich drücke dich etwas fester und denke: ich liebe dich. Sag ich es dir oder sag ich es dir nicht? Ich will den Moment nicht ruinieren, indem ich dir Angst mache. Stattdessen sage ich: Schön mit dir hier. Du reagierst nicht. Was sagt man dann?

Morgen ist noch ein Tag und dann müssen wir schon wieder los. Wir haben noch nie so viel Zeit miteinander verbracht und ich bin fasziniert davon, wie harmonisch es läuft.

Ich rede ein bisschen über Menstruation und die Angst, schwanger zu werden, du wechselst schnell das Thema. Wir müssen auch über solche Dinge reden, wir müssen überhaupt über solche Dinge reden, wir müssen viel mehr reden. Aber es ist so schön und ich fühl mich so wohl und ich bin so glücklich und zufrieden und ich will einfach nur, dass alles für immer so bleibt und nicht anders.

Es ist manchmal echt schwer, alles immer verbalisieren zu wollen – manchmal ist es vielleicht einfach unnötig. Aber ich würde mich trotzdem besser fühlen.

Jetzt oder nie

Wir fahren am Wochenende nach Usedom. Ich bin aufgeregt. Eigentlich bin ich schon aufgeregt, seitdem wir das beschlossen haben, aber ich habe es vor mir selbst natürlich erst nicht zugegeben. Aber jetzt kann ich das Gefühl nicht mehr ignorieren.

Wir fahren also in den Urlaub, zu zweit, und ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum es nicht wunderschön werden sollte und das macht mir Angst. Es soll regnen. Ich denke: gut, dann bleiben wir zwei Tage lang im Bett. Wir sind zusammen. Sogar darauf würde ich mich freuen. I am setting myself up for disappointment.

Er hat mir eine Postkarte geschrieben, in der er sagt, dass er sich darauf freut, wenn wir uns bald wiedersehen. Er sagt nicht: können.

Ich rufe ihn betrunken vom Festival an. Ich sage: ”Irgendwann wird sich unsere Kommunikation schon einpendeln!” er sagt: ”Das ist alternativlos”. Natürlich ist es nicht alternativlos, denke ich, wir können uns auch trennen. Das scheint ihm nicht einzufallen oder es scheint keine Option zu sein. Er ist sich der Zukunft so sicher – wir werden uns sehen, wir werden unsere Kommunikation verbessern – dass ihm unliebsamere Szenarien gar nicht in den Kopf kommen.

I want to tell you that I love you but I don’t know how.

Und ich freue mich immer noch darauf, dich besser kennenzulernen, freue mich vielleicht auch deswegen so auf den Urlaub, weil wir endlich mehr Zeit zusammen haben werden. Ich freue mich darauf, gemütlich mit dir zu werden, freue mich darauf, wenn die Aufregung weg ist und die Zuneigung, Sicherheit, Comfort bleibt. Freue mich, neben dir zu schweigen und deine Anwesenheit zu genießen, ohne das Gefühl zu haben, das meiste daraus machen zu müssen.