MonatOktober 2017

Die Kastanie ist unendlich

Hallo, Berlin, da bin ich wieder.

Aber vorher noch kurz die letzten zwei Tage in California:

Ich bin nicht mit Jen nach LA gefahren, ich habe den Zug („Coast Starlight“, was für ein erhabener Name) genommen. Neben mir saß eine etwas ältere Dame, die mir die ganze Zeit von ihrer Familie erzählt hat, links ein Junge, der sich mein Ladekabel ausgeliehen hat. Die Dame hat uns beide irgendwann zum Dinner im Speisewagen eingeladen, ein Spaß, der immerhin über $60 gekostet hat. Die Zugfahrt hat neun Stunden gedauert, kam mir aber dank der guten Unterhaltung gar nicht so lang vor. Es gibt einen Panoramawagen, in den man sich einfach setzen kann und vor allem als der Zug die letzten zwei, drei Stunden bis LA an der Küste entlangfuhr war der Ausblick von dort wirklich magisch.

Abends war ich dann in einem Club und es ist wirklich furchtbar. Alle sehen gleich aus, sind gleich gekleidet und tanzen, als würden sie sich gleich die Klamotten vom Leib reißen und auf dem Boden Sex haben, völlig obszön. Ich würde ja schon behaupten, dass es schwierig ist, jemanden zu finden, der liberaler ist als ich, aber das war mir dann doch zu viel. Dazu noch die schreckliche Musik – lange habe ich es dort nicht ausgehalten. Zuhause angekommen haben wir schnell Tacos gemacht und dann wurde ich von der merkwürdigen Angewohnheit meines Hosts, alle zwanzig Sekunden seine Hand fünf Mal gegen die Stirn zu schlagen völlig verstört. Ich kriege heute noch Alpträume von dem Geräusch, es ist mir ein Rätsel, warum er das tut und er scheint es nicht ein mal zu merken.

Was mir in dem Zuge auch aufgefallen ist, dass Männer, wenn sie abgewiesen werden, immer nach irgendwelchen dubiosen Gründen suchen, anstatt einfach zu akzeptieren, dass man einfach nicht auf ihn steht. „If you were into black guys…“ – nein, mein Freund, das hat damit überhaupt nichts zutun. I’m into nobody in particular. And particularly not into you, and that’s it. Nun, was auch immer.

Was bleibt aus Kalifornien ist die Sommerbräune und die ausgebleichten Haare – zumindest für eine Weile. Was bleibt sind die kleinen mindshifts und die Erinnerungen und natürlich das Tattoo über meinem Knöchel.
Was nicht bleibt ist dieser gigantische Haufen amerikanischer Handynummern, Jesus, die muss ich aussortieren und löschen.

Der Rückflug war langweilig, ich habe einen Film geschaut, „gifted“, einer dieser Filme, bei denen ich hinterher darüber nachdenke, was aus mir geworden wäre, wenn ich Eltern oder Lehrer gehabt hätte, die mich und mein Machen unterstützt hätten. Schlafen konnte ich irgendwie nicht so wirklich, dafür am Flughafen in Heathrow ein bisschen. Sabina hat mich in Berlin abgeholt und es war sehr nett, sobald ich meinen Kopf zwischen den Kissen hatte bin ich kompromisslos eingeschlafen und bis Montag um 11 nicht mehr aufgewacht.
Montag wurde irgendwie absurd, weil ich eigentlich nur meinen Bafögkram und anderes Bürokratiezeugs erledigen wollte, Daria aber gegen 13h beschlossen hatte, jetzt vorbeizukommen, also erledigte ich dies mit Daria im Hintergrund, die irgendwann Logan anrief und ihm sagte, er könne auch gerne kommen, woraufhin Logan am Telefon erzählte, er hätte ein Verbrechen begangen. Als er hier war bat er um Alkohol, da er ansonsten nicht darüber reden könnte – es war zu dem Zeitpunkt so c.a. 15h – also öffneten wir eine Flasche Sambuca (das einzige, logischerweise, was wir im Haus hatten) und tranken jeweils zwei Shots. Auf magische Weise fand sich auch noch eine Flasche Wein, die wir leerten, während Logan uns erzählte, wie er bei einer Nacktdatingshow mitwirkte.
Daraufhin mussten wir erst mal wieder runterkommen, also sagte Daria ihr Date ab und wir fuhren zu Logan, um seine neue Ernte zu probieren. Da Sabina aber abends zum kochen vorbeikommen wollte, packten wir nur schnell alles ein und spurten wieder zurück zu mir. Dann kündigte sich auch noch Max an und aus meinem besinnlichen Bafög-und-Sabina-Tag wurde eine mini Taco-Party mit fünf Flaschen Wein, fünf Leuten und jeder Menge Tacos.

In diesem Stil zog sich der Rest der Woche auch weiter, irgendwie fand ich immer was zu tun. Dienstag war ich bei Alex, und als ich ankam war er schon fürchterlich angetrunken, was witzig war. Er erzählte mir, dass er wahnsinnig schlecht im Ausschneiden sei und am Ende lagen wir im Bett und dachten über Anagramme zu Mein Kampf nach. Das lief ungefähr so:

Er: Ich werde ein Buch schreiben nur bestehend aus Anagrammen aus Mein Kampf.
Ich: Das wird dann aber ziemlich einfach.
– Stille, beide überlegen –
Er: Es wird ein Diätbuch.
Ich: Ja man, Knie Mampf, daran habe ich auch gerade gedacht!
Er: Ich dachte Kein Mampf. Und ich glaube, wir können mit Fug und Recht behaupten, dass das hier gerade eine einzigartige Situation in Berlin war: zwei liegen im Bett und denken unabhängig voneinander über Anagramme von Mein Kampf nach..

Ich mag diesen Typen.

Mittwoch war Bandprobe, Donnerstag war ich nach dem Training bei einem englischsprachigen Poetry Slam, bei dem Logan auch vorgelesen hat und es war großartig. Freitag war ich mit Daria beim Pilates (!), dann arbeiten. Samstag musste ich auch arbeiten, dann war die Halloween-Party von Karl. Ich bin als Van Gogh gegangen und das führte zu lustigen Interaktionen mit einem Brezelverkäufer, der mich fragte, ob ich denn so hören könne und als ich sagte, ich hätte mir im Absinthwahn das Ohr abgeschnitten schlug er sich völlig schockiert die Hand vor den Mund. Heute hatte ich ein Fußballspiel welches wir 2:3 verloren und das war meine letzte Woche. Heute hat auch seitdem ich wieder hier bin die Sonne geschienen, sonst die ganze Zeit nur Unwetterwarnung und Sturm und Regen und kalt und nass und ungemütlich und ich will nur kuschelnd kakaotrinkend in eine warme Decke gewickelt bei Kerzenlicht Zuhause sitzen und über Anagramme nachdenken, aber ich muss morgen aufräumen und einkaufen und dann ist WG Party und Dienstag ist frei und ich muss ganz viel Unikram machen und dann geht der ganz normale wöchentliche Wahnsinn wieder von vorne los und das ist so das, was momentan in meinem Leben passiert. Willkommen.

Plot Twist

Bald ist alles vorbei. Morgen ist mein letzter, ganzer Tag in Kalifornien und ich werde ihn auf dem Freeway zwischen Big Sur und Los Angeles verbringen.
In Santa Cruz habe ich mir ein neues Tattoo stechen lassen, ein paar Wellen über dem rechten Knöchel, Jen hat sich ein Septum machen lassen und als wir wieder Zuhause ankamen hatte Shannon ein neues Nasenpiercing. Ich bin mit dem Hund in Pacific Grove spazieren gegangen und habe jede Menge atemberaubende Sonnenuntergänge über dem Ozean beobachtet. Die letzten drei Tage war ich wieder in Oakland, weil Lee Baumarbeit in der Bay Area hatte und ich mir dachte, dass ich ja dann noch mal Lye und seine Cottage besuchen könnte. Wir waren recht früh fertig mit allem und hatten dann ein, zwei, drei Bier, waren bei Crossroads Kleider kaufen und aßen eine gefüllte Chicago style Pizza bei Zachary’s, als ich den Garten zur Cottage betrat war Lye gerade auf dem Weg aus dem Haus also hastete ich hinter ihm her und sprang direkt ins Auto und wir rasten ins Kino um Loving Vincent, einen handgemalten Film über Van Gogh, zu sehen. Dann eröffnete er mir, ich könne nicht mit ins Restaurant, also hatte er ein Uber bestellt und ich war wieder zurück, der ganze Tag war eine einzige Überwältigung nach der anderen. Am Folgetag bin ich erst nach San Francisco und kam dann zu spät wieder zurück nach Rockridge, um noch in den Botanischen Garten zu gehen und als ich das Haus betrat kam mir Hunter entgegen, von der ich dachte, sie sei schon längst weg. Also sind wir alle zusammen in ein von einem Inder betriebenes, heruntergekommen ausschauendes Deli um aufgewärmtes Curry mit Reis zu essen und Lye’s Hausprojekte zu bestaunen, dann setzte Hunter uns ab und wir gingen in eine Bar, um uns mit einem anderen Freund von Lye zu treffen und Baseball zu schauen. Es gab Bier, dann gab es Nachos und Cocktails und dann ist alles irgendwie eskaliert, als Lye meinte, dass er sich Blade Runner nicht noch mal ohne Molly anschauen könnte, also nahmen wir ein paar Tropfen und stapften ins Kino. Während des ganzen Films war ich ein bisschen benommen wegen des Alkohols, wartete auf den Plot und das MDMA und stellte die sich langsam einstellende Wirkung von Letzterem fest als mein Gehirn plötzlich dachte „Oh, wie nett. Er rettet ihn, weil er ertrinkt. Adorable. Das ist ja wirklich fantastisch, dass Menschen so etwas tun, sehr schön. Oh, hallo, Drogen.“ und dann war der Film zu Ende. Wir liefen nach Hause durch die Dunkelheit und erzählten Geschichten und als ich mich ins Bett legte ließ die Wirkung nach und das Tief kam und ich bekämpfte aufkeimende Panikattacken mit langsamem, konzentriertem Ein- und Ausatmen bis ich einen Freund in Berlin anrief, der mich beruhigte und mir empfahl, viel Wasser zu trinken, dann schlief ich ein.
Am nächsten Morgen vertrug mein Magen nicht viel mehr als einen Avocado-Bagel und heiße Schokolade, ich kaufte Blue Bottle Kaffee für Ansgar und ließ mich abholen, um wieder zurück nach Big Sur zu fahren, dann wurde es absurd. Wir trafen Shannon, als wir aus dem Target Parkplatz herausfuhren, ich wechselte das Auto, wir entschieden uns, an der Brixby-Bridge einen Stop einzulegen und Fotos zu machen, dann raste ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben mit über 160 km/h über die Serpentinenstraßen des Küstenhighways an uns vorbei gefolgt von einem Sheriff- und einem Rangerwagen. Von Neugier gepackt drehten wir um um zu schauen, wie weit die Verfolgungsjagd ging, als wir am Straßenrand ein in Flammen aufgegangenes Park Ranger Auto entdeckten, daneben ein weiteres Wrack. Ich war immer noch ein wenig High und konnte mit dem ganzen Geschehen wenig anfangen. Verwirrt machten wir uns auf den Weg nach Hause.

Heute Abend fahren wir nach Esalen, wo es heiße Quellen und Klippen gibt und morgen fahre ich dann mit Jen zurück nach LA und meine Reise hat ein Ende. Noch weiß ich nicht, wie ich mich fühle, noch bin ich hier und noch ist das hier mein Zuhause, aber der Flug wird bestimmt wahnsinnig einsam und leer. Das neue Semester hat diese Woche begonnen, neu und hoffentlich das letzte. Berlin wird so kalt und eng und ruhelos wie noch nie und ich bin mittendrin.

Verbindung Unterbrochen

Flipflops mit Absatz und diese karierten Burberry Socken. Manchmal auch zusammen. Schuhe, auf denen in Großbuchstaben FUCK EVERYONE steht – ich kann das verstehen.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass man hier einen Highway adoptieren kann? Die tragen dann Namen wie CAMP WANOWA und FAMILY WELSEY, ich warte auf BADASS HIGHWAY OF BADASSITUDE oder ein simples FUCK TRUMP würde mir auch genügen, aber Menschen scheinen uninspiriert zu sein in dieser Gegend.

Und dieses eine Mal, als ich an der Metro Station unter dieser riesigen, einschüchternden Autobahnkreuzung darauf gewartet habe, abgeholt zu werden und ein Typ sich einfach neben mich gesetzt und angefangen hat zu Rappen.

Den Bus in LA zu nehmen scheint nur für merkwürdige Gestalten und Außenseiter zu sein, also solche wie mich.

Ein obdachloser Mann, der an dir vorbei läuft und sagt „Du bist so wunderschön, du könntest ein Filmstar sein!“ und ein Mädchen, das ein paar Stunden später „wunderschön“ unter ein Bild deiner Füße auf Instagram kommentiert.

Chinesische Touristen, die eine Busfahrt entlang des PCH nach Malibu wie eine verrückte Reisegesellschaft anmuten lässt.

Was sonst noch so passiert ist:
Ich war auf dem CalJam Festival und es war spaßig. Unglaublich heiß, natürlich, und Bier kostete $14,50 pro 730 ml Dose, aber gelohnt hat es sich. Royal Blood waren gut und Liam Gallagher hat zum Abschluss ganz kitschig Wonderwall gespielt. Josh Homme war mal wieder komplett zugekokst, er schien gar nicht fassen zu können, wie sehr er seine Zuschauer liebt. Das Haus, in dem ich residierte, war ein wunderschönes Paradies am Ende einer ellenlangen Treppe, die einen aber mit einem wunderschönen Ausblick über LA beschwichtigte. Nachdem ich vier Mal die Treppe hoch- und runtergelaufen bin und abends noch ein bisschen im Griffith Park wandern war hatte ich drei Tage lang Muskelkater in den Beinen. Na ja, und dann bin ich ja nach Big Sur getrampt.

Der Anfang war hart. Ich bin um 7 aufgestanden, kam aber erst gegen 9.30 los, weil ich noch Wäsche waschen musste. Die Busfahrt nach Malibu dauerte c.a zwei Stunden und war merkwürdig. Mit mir zusammen an der Haltestelle wartete eine Gruppe Lateinamerikaner, die sich die ganze Zeit lautstark unterhielten. Unglücklicherweise stiegen sie auch mit mir um, sodass ich die drei noch eine Weile an der Backe hatte. In Malibu angekommen habe ich mir erstmal, Hipster, der ich bin, einen Iced Maple Peacan Latte gegönnt (aber, verdammt, das Zeug ist lecker.) Die erste Mitfahrgelegenheit ließ nicht lange auf sich warten und brachte mich bis nach Oxnard, ca 20 Meilen von Malibu entfernt. Der nächste Fahrer brachte mich nur ein Stück entlang des Highways (innerhalb der Stadt – so ein merkwürdiges System), fragte mich aber nach meiner Nummer und ob wir abends miteinander rumhängen wollen. Ich entgegnete mit einem verwirrten Blick. Danach brachte man mich zur nächsten On-Ramp, aber sehr unpraktisch mitten auf dem Freeway. Glücklicherweise wurde ich dort direkt mitgenommen von dem bis dato ersten und einzigen Fahrer, der mir nicht versicherte, dass ich unfassbar hübsch sei. Er erzählte mir einfach nur 20 Minuten lang von seinem Camp, auf das er sich freue.
Der nächste Typ fragte mich zwar, ob er mir Geld für Sex anbieten kann, war aber sonst sehr nett und harmlos und brachte mich nach Santa Barbara, obwohl er dort eigentlich gar nicht hin musste. Dort steckte ich dann erst mal fest. In der Zwischenzeit hielt ein Mädchen den Verkehr auf, weil es ein Foto von mir machen musste, die Anwohner von gegenüber richteten sich zum Public Viewing meines scheiternden Versuchs ein, jemand stoppte und schenkte mir einen Meteoriten.
Dann gab ich auf und lief zur nächsten Bar. Eigentlich wollte ich nur Internet, um nach zu schauen, ob nicht ein Bus von hier aus vielleicht bezahlbar wäre, denn nicht mal 100 Meilen über einen ganzen Tag verteilt mit ausschließlich absurden Fahrern stimmte mich nachdenklich. Dementsprechend wählte ich meine Lokalität nach dem „Free WiFi“-Sticker an der Fensterscheibe aus. Es war ein Dönerladen. Der Besitzer war Deutscher und sehr nett, wir unterhielten uns, er gab mir ein Bier aus, noch ein Bier, noch ein Bier, ich aß einen Veggiedöner, noch ein Bier, dann wurde der Laden geschlossen und er bot mir ein, dass ich bei ihm übernachten könnte. Das klingt jetzt ziemlich shady, aber er ist einer dieser Menschen, die einfach ein gutes Herz haben. Er wohnte nicht direkt in Santa Barbara, sondern in Carpenteria, einem touristischen Celebrity-Wohnort. Wir gingen eine Runde mit dem Rottweiler, auf den er für seinen Geschäftspartner aufpasst, Gassi, und setzten uns dann mit einer Flasche Bier an den Strand um das Meer und die Sterne zu beobachten. Und der Sternenhimmel hatte es in sich an dem Tag! So viele (vor allem – so intensive) Sternschnuppen habe ich noch nie gesehen. Richtig kitschig fast.
Am nächsten Morgen brachte man mich wieder zurück nach Santa Barbara, und ich startete erneut – nicht ohne vom Postboten auf meinem Weg zum Freeway angehalten zu werden mit der Frage „Na, suchst du immer noch nach einem Lift nach Monterey?“ – anscheinend hatte ich bei den Anwohnern schon einen gewissen Grad der Bekanntheit erreicht.
Meine erste Mitfahrgelegenheit war ein alter Mann auf dem Weg zu seinem Boot. Wir freundeten uns an, und anstatt 10 Minuten brachte er mich über eine Stunde weiter nach Santa Maria und erzählte mir während der Fahrt alles mögliche über das Ökosystem, den Golf- und den Humboldtstrom und Kalifornien. Auf dem Weg legten wir eine kurze Pause ein, in der ich noch weitere Tramper einsammelte. Es war ein Mädchen, das irgendwie gestrandet an einem Rasthof mitten im Niemandsland saß. Nur, dass sich am Ende herausstellte, dass sich ihr ungepflegter Freund im Schatten versteckte.
Von Santa Maria aus nahm mich ein völlig normaler Mittvierziger mit, der mich in einer süßen kleinen Stadt namens Pisco Beach rausschmiss. Dort wollte ich mir eine kurze Pause und etwas zu Essen gönnen, also suchte ich eine kleine Pizzeria auf. Der Kerl, der dort arbeitete, hat anscheinend nicht so viel soziale Interaktion, denn er redete sehr viel. Am Ende hielt ich mich fast eine Stunde in dem Restaurant auf, bekam aber auch zwei Stücke sehr knusprige Käsepizza geschenkt. Dann wurde es absurd.

Ich stand keine zehn Minuten an der Rampe, als ein obdachlos ausschauender Typ vorbeikam. Er wollte offensichtlich auch mitgenommen werden, und ich sah meine Chancen, diesen Ort heute noch zu verlassen, schon gegen Null sinken. Er sprach mich an, erzählte mir, von wo er käme und wo er hinwolle, meinte dann, seine letzte Mitfahrgelegenheit hätte ihm einen 10-Dollar-Schein in die Hand gedrückt, den er jetzt teilen wolle, gab mir $4 und verschwand die Straße hinunter. Ein paar Minuten später kam er wieder und fragte mich, ob ich nicht mit ihm den Bus nehmen wolle, er denke, er hätte genug Geld für uns beide. Ich negierte. Dann beobachtete ich, wie jemand ihm aus einem Auto heraus eine Tüte reichte und wenige Sekunden später, wie dieses Auto für mich anhielt und mir anbot, mich nach San Luis Obispo mitzunehmen. Nicht jedoch, ohne zwischendurch noch mal eine Pause zum Kaffee trinken in einem fancy aussehenden, den Ozean überblickenden Hotel zu machen. Er erzählte mir von seinen Vögeln und was für ein perfekter Mensch er ist – kauft regelmäßig Essen für Obdachlose, gründete eine Non-Profit-Organisation um Kindern Theater- und Konzertbesuche zu ermöglichen, nimmt Tramper mit, wählt demokratisch.
In San Luis angekommen dachte ich, mein Glück sei vorbei, denn die Straße war völlig leer gefegt. Nach nicht einmal einer Minute kam jedoch eine Frau angedüst, deren mobiler Innenraum komplett nach Gras roch und die mir auf dem Weg erzählte, sie hätte ein halbes Jahr zuvor einen Herzinfarkt gehabt. Sie brachte mich nach Peso, von wo aus ich einen Truckfahrer ergatterte, der mich den ganzen restlichen Weg bis Salinas brachte. Er hatte 100 Tauben, von denen er 50 abgeben musste, außerdem stand er sehr auf indische Musik. Er ermöglichte mir den badassigsten Auftritt ever, als sein Truck vor dem ZOB in Salinas vor einer kleinen Menschentraube zum Halten kam und ich samt Schild und Rucksack elegant aus der Beifahrertür auf den Bordstein sprang.

Salinas ist der dubioseste Ort überhaupt, weswegen ich froh war, nach einer auch wieder sehr merkwürdigen Busfahrt nach Monterey direkt abgeholt und nach Big Sur gebracht zu werden. Und hier bin ich also nun, in einem Paradies zwischen Ozean und Bergen. Der Himmel in der Nacht ist übersät mit unzähligen Sternen, der Sonnenuntergang ist das Kitschigste, was ich jemals erlebt habe, das Wellenrauschen übertüncht jegliche negative Stimmung. Gestern habe ich bei der Restauration sterbender Bäume geholfen, heute fahren wir nach Santa Cruz. Ich kann irgendwie nicht richtig glauben, was in den letzten Tagen so passiert ist und wo ich bin, aber es scheint Realität zu sein.

Was für merkwürdige Windungen das Leben manchmal nimmt.

go high-er

Ich bin ja nicht davon ausgegangen, dass das tatsächlich klappt, aber doch, ich habe jemanden gefunden, der nach Yosemite fährt mit mir. Und ich weiß noch nicht ganz, wie ich den Trip evaluieren soll, aber auf jeden Fall war es eine gute Idee. Von vorn:

Am Wochenende war ich auf einer queeren Sex-Party. Travis, ein Typ, den ich während eines CouchSurfing MeetUps getroffen habe (und mit dem ich dann die letzten Tage in Yosemite war) hatte mich eingeladen, weil seine ursprüngliche +1 abgesprungen ist. Ich war erst ein bisschen zögerlich, habe am Ende aber doch zugesagt, aus Neugier. Und es war durchaus interessant, ich habe mich weniger fehl am Platz gefühlt, als ich das erwartet hätte. Es fing damit an, dass alle seinen Namen, seine bevorzugten Pronomen und etwas, das sexy ist an einem selbst aufzählen sollte. Ich war gleich als drittes dran, deswegen hatte ich nicht genug Zeit, mir etwas auszudenken, das möglicherweise sexy sein könnte, auf spätere Nachfrage habe ich dann nur geantwortet „I was told my accent is kind of sexy“. Danach sollte man sich jemanden suchen, um mit ihm/ihr/es über seine STDs und seine Vorlieben zu sprechen. Im Anschluss hatte man 5 Minuten, um zu viert oder fünft Gruppendynamik zu entwickeln und wir entschlossen uns für eine Massagekette. Und ich habe mitgemacht! Und wurde massiert! Von einem fremden Typen! Mit Öl! Sehr aufregend für mich – ich habe ja sonst eher gewaltige Probleme damit, wenn mich Menschen anfassen. Habe ich eigentlich immer noch, aber in dieser Umgebung war es seltsamerweise völlig in Ordnung.
Der Rest der Party verlief eher unspektakulär, zumindest von meiner Seite aus. Ich habe mit ein paar Leuten gequatscht, ein merkwürdiger Typ hat mir seine noch merkwürdigeren, drittklassigen Zaubertricks gezeigt, ich wurde zu einem Dreier nach Hause eingeladen, aber an etwaigen wilden Sexpraktiken habe ich nicht partizipiert. (Im Gegensatz zum großen Rest der Gesellschaft. Es war auch unglaublich heiß, sodass nach c.a 15 Minuten fast alle nackt waren oder zumindest halbnackt)
Sonntag bin ich noch mal kurz nach San Francisco reingefahren, um mir eine Street-Art Gasse anzuschauen, aber das hat mich nur gestresst wegen der ganzen Leute, die dort waren. Beim Schlendern durch den Stadtteil habe ich aber einen niedlichen Buchladen entdeckt, der viele Grafikdrucke auf gutem (!) A4-Papier für $1 Dollar anbot, da habe ich dann erst mal zugeschlagen.

Ja, und dann Yosemite. Es war ja von Anfang an alles ein bisschen wirsch, weil ich fast gar nicht geschlafen hatte die Nacht davor und um 6 Uhr in der früh aber schon wieder auf sein musste. Auch nachdem ich so lange in der Cottage in Oakland gewohnt habe war es schwierig, zu packen und wieder aus dem Rucksack zu leben. (Auch, wenn ich einen Teil meiner Sachen hier in der Cottage gelassen habe). Mir wurde gesagt, es könnte kalt werden, also habe ich alles mitgenommen, was warm hält, aber es war nicht genug. Ich habe ja auch nicht damit gerechnet, dass Yosemite in einem richtigen Gebirge liegt. Nicht ganz so hoch wie die Alpen (die bei durchschnittlich 3.000-4.000 m liegen), aber trotzdem auf über 2000 m Höhe mit dem höchsten Berg, dem Half Dome, auf 2700m. Dementsprechend frostig schlug es mir entgegen, als ich gut gelaunt aus dem Auto ausstieg. Nachts fiel die Temperatur bis 0°C und dem hatte ich einfach mit meinem Sommergepäck nichts entgegen zu setzen. Dementsprechend dizzy fühlte ich mich am nächsten Tag und war froh, dass wir nicht viel gewandert sind. (Yosemite erstreckt sich riesig weit und unsere Campsite lag ziemlich am Rand und sehr weit weg vom Hauptvalley, weswegen wir so oder so immer erst eine Stunde mit dem Auto durch die Gegend fahren mussten) Das dümmste war aber eigentlich, dass wir noch Hashbrownies in einem sehr shady Etablissement gekauft haben und wir uns einen auf dem Hinweg zum Valley geteilt haben. Ich bin ja nicht davon ausgegangen, dass die einen so wegkicken und dachte sowieso, wir sind wieder beim Camp, sobald die Teile wirklich anfangen zu wirken, aber denkste. Ich war die ganze Rückfahrt verdammt paranoid, aber auch zurecht wenn dein Fahrer (der sowieso schon lenkt wie ein Berserker und ständig auf sein Handy schaut) nur Zentimeter neben dem Abgrund (ohne Absperrung, versteht sich) bekifft über Serpentinen steuert. Oder aus Versehen falsch herum in Einbahnstraßen fährt.
Gestern Abend jedoch haben wir ein schönes Lagerfeuer gemacht und ich habe Mais gebraten und Bier getrunken und war glücklich und zufrieden (na ja, bis die Wirkung des zweiten Hashbrownies eingesetzt hat – die Dinger sind unberechenbar!). Travis ging mir irgendwann ein bisschen auf den Keks, aber prinzipiell habe ich mich in seiner Gesellschaft nicht unwohl gefühlt, solange er nicht gegessen hat. Das tut er nämlich mit offenem Mund und viel Schmatzen, im Generellen war er irgendwie komplett manierlos, aber er hat die letzten zwei Jahre im Auto gelebt und ist auch sonst sehr einsam, denke ich, also kann ich ihm das verzeihen, man muss ihn wahrscheinlich erst mal wieder resozialisieren.

Na ja. Morgen geht’s wieder runter nach LA und am Wochenende ist ja dann auch schon das Festival. Und danach mal gucken, was so geht. Entweder San Diego und Mexiko oder Big Sur und San Diego oder ich versacke einfach wieder in LA, ist mir alles recht. Ich bin nur froh, dass es endlich wieder warm draußen ist.

Cookies With A View

Well, do you know this German phrase – „Waldeinsamkeit“? I was under the assumption it grew quite popular recently, but to make sure you understand: it is the feeling of being alone in a forest. I was seeking for exactly this when I immersed deeper into the dark of the forest, down the tiny trail that winded from the main road. The sunlight was shielded off almost entirely by the towering trees as their leaves formed a perfect green globe that blocked the view into today’s clear blue sky. The further I came, the more perceptive I got of my surroundings. The voices from the people that were walking the „real“ trail dissolved into the distance and the air smelled fresh and clean. I immediately began to relax, for the defeaning noise of the city, this cacophonous mixture of cars roaring by, men and women chatting loudly and their kids screaming and construction machines hammering and shrilling sometimes makes me nervous.
And apparently, I wasn’t the only one to feel like this. As I proceeded to fight my way through the woods, I found traces of humankind scattered across the pine needle covered floor. Quite obviously I wasn’t the first to come down here – the dirt track was stomped neatly, and tightly, into the ground. Somebody made a great effort to create this path. Finding pieces of cloth – a red and blue checkered pair of boxers, some socks, seemed like somebody was searching for a little privacy to have fun in the open – didn’t surprise me. The confusion took over when I came across a framed picture tucked into the ground, with a text on it that, on a closer look, appeared to be a prayer as it said „Thank God for children.“ I stepped back a little to fully absorb the image as I was trying to comprehend what it did here, in the woods, so far off any form of civilization and it wasn’t until then that I noticed the freshly shoveled pile of dirt on whose top the frame was placed.
It was a grave.

Aghast, but in the same way immensely curious about this mysterious new discovery, I climbed and slided my way further along the trail in hope to find any signs of reasonable explanation. My investigation abruptly came to an end when the forest opened up and the trail stopped. To my right was a little precipice where, a couple of years ago, a small creek might have carried water from the top of the mountain downhill into the valley. The stream has long since dried up, but it carved the ground deep enough for me to make it impassable. Behind me was the thick forest and the carefully crafted trails into steep slopes from where I came. To my left and in front of me, hidden behind a curtain of branches and leaves, was a home. Pillows, kitchen utensils, clothing, used napkins and newspapers were all sprewed on a little plateau-like ledge. Astonished, I looked around until a sudden shiver of realizing that I am, right now, severely invading someone’s privacy jerked me out of my thoughts. I glanced uphill one last time to figure out whether the „owner“ was home, but neither did I see nor hear something special, merely the usual cracking and squeaking and chirping sounds of the woods and it’s inhabitants and somewhere, faintly, in the distance, cars.
Now, I faced the obstacle of finding my way back, since I clearly had come to a dead end. Climbing up is always easier than down, but luckily the slopes were short and the forest offered enough big, stable trees to hold onto. Back on track and blinded by sunlight, I sat down on a trunk close to the main road, where hikers were constantly passing by, and gathered my thoughts. I felt like I previously had submerged into some kind of alternate reality from which I only in this moment surfaced. And it’s odd, isn’t it, that I came to this place to enjoy cookies with a view, and now I leave with a new secret unresolved in my mind and a curious feeling in my chest.