Flirrende Schatten
Sitzen im Halbdunkeln. Schummerlicht, zwei Sofas und die Hausregeln: 1. Die Wohnzimmertür ist geschlossen zu halten, 2. Keine fremden männlichen Wesen erlaubt. Bin weiblich, also alles gut. Müller-Thurgau, Jahrgang 2015 aus Plastikbechern, kreisende Gespräche um das Leben und den Sinn, irgendwann: wollen wir los? Tablet rausgeholt „Ist von der Arbeit“, kleines Tütchen mit weißem Pulver, eins, zwei, drei, vier dünne Linien. Nase hochziehen. Okay. Los jetzt? Noch einmal Nase hochziehen, nicken, alle greifen mit aufgerissenen Augen nach ihren Jacken, fünfzehn Minuten Fußweg durch die Dunkelheit, keine Sterne am Himmel und die S-Bahn trägt uns durch die Nacht. Am Clubeingang: „Ich habe meinen Ausweis verloren“ „Warum packst du deinen Studentenausweis nicht in eine Hülle?“ „Dann passt er nicht mehr in mein Portemonnaie“ „Warum kaufst du dir kein neues Portemonnaie?“ „Dann passt es nicht mehr in meine Hosentasche.“ Danach: blinkende Neonlichter, der Bass wummert durch meine Schädeldecke, ich etabliere einen ekstatischen Tanzstil. Versuche, die Leute zu beobachten, aber nichts ist wichtig, Bewegungen verschwimmen vor meinen Augen, die Pupillen sind groß, die Belichtungszeit lang. Ich umklammere meine Bierflasche als sei sie mein einziger, mein letzter Bezug zur realen Welt. Schluck. „Raus?“ Schluck. „Okay.“ Leer. Draußen dann: das leise raschelnde Geräusch, wenn man einen Joint rollt als akustischer Gegensatz zur lauten Musik. Ein Zug. Husten. Noch ein Zug. Weiterreichen, „schmeckt ja wirklich nach Erdbeer-Kiwi“ sagen, sich die Lippen lecken und mit dem Kopf wippen, in den Himmel schauen und Sterne zählen (jetzt sind welche da). Bin ich glücklich? denken und den Kopf schütteln, während man mit dem Fuß zum Bass mitwippt, dann noch einen Zug nehmen. Drogen sind künstliches Glück, oberflächliches, aber es geht nicht tief, es füllt dich nicht aus. Auf dem Floor: viele Menschen, Schweiß, stickige Luft und purer Hedonismus. Die Augen sind halb geschlossen, der Tanzstil langsam, die Arme schweben irgendwo in der Luft und schieben imaginäres Wasser vor sich hin, das Licht ist immer noch bunt, der Kopf in Watte gepackt. Aber die Lider werden schwer, also noch mal stumme Blicke austauschen und auf eine freie Klokabine warten. „Wie haben die das nur damals ohne Smartphones gemacht?“, Schwarz-/Weißkontrast auf dem Bildschirm. Das Ekstaselevel steigt linear zur Uhrzeit. Irgendwann die Frage: seit wann ist es hell draußen? Und ein schneller Blick auf die Uhr, der sagt: 5.30h. Das ist mir zu viel Licht. Also weiter tanzen bis die Cafés wieder aufhaben und man Frühstücken gehen kann, erhitzte Wangen gegen kalten Orangensaft, Vitamine im Kampf gegen die Erschöpfung.
An Schlaf? nicht zu denken. Es flackert.