Gedankenschleifen
Es ist schon seltsam, wie kleine Dinge einen manchmal in scheinbar bodenlose Gedankenschleifen werfen können. Gerade gestern noch habe ich geschrieben, dass es mir gut geht, im Moment. Das stimmt auch größtenteils, aber natürlich gibt es zwischendurch immer diese Augenblicke, so wie jetzt.
Und ich möchte dich gerade in den Arm nehmen und dir sagen, wie dankbar ich für dich bin. Nicht nur dafür, dass du für mich da bist. Sondern auch dafür, dass du mir nicht das Gefühl gibst, mich aushalten zu müssen. Dass du mir nicht zeigst, wie schwierig ich bin, dass du mich nicht einmal für besonders schwierig hältst.
Berlin, dunkel. Die billige Leuchtreklame des Hotels gegenüber kreiert zusammen mit dem grell knisternden Weiß der Straßenlaterne ein Feuerwerk in meinem Zimmer. Wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich immer noch ein paar rote Blätter erkennen, die matt im Licht schimmern. Es ist kalt geworden, aber der Herbst ist noch nicht vorbei. Noch erinnern die warmen Farben schwach an sonnige Tage. Ich sitze im Bett und höre meinen Nachbarn dabei zu, wie sie laut durch ihre Wohnungen schlurfen. Eine Tür knarrt. Wasser rauscht durch die Heizungsrohre. Irgendwo spielt jemand Techno. In Berlin spielt immer irgendjemand irgendwo Techno. Mir ist nach Abenteuern zumute, nach Erlebnissen, Aufregung. Nach flüchtigen Bekanntschaften und hastig bereuten Fehlern. Nach Straßenschildern für die WG-Küche klauen und Verkehrsberuhigung für den Kiez. Ich möchte mit fingierten Bars kostenlosen Wein abstauben und obdachlose Saxofonisten auf Hausparties einschleusen. Will, dass meine Mitbewohnerin nachts um 3 nach Hause kommt und als erstes die Glühbirne wechselt. Sehne mich danach, mit Straßenmusik 50 Cent zu verdienen und diese kurz darauf beim Kokstaxi auszugeben, um die ganze Nacht gitarrespielend in Neukölln auf dem Balkon zu sitzen. Vermisse es, Baugerüste zu erklimmen und ruinöse Häuser und verlassene Fabriken zu durchstöbern. Ich kann mir nicht vorwerfen, nicht genug erlebt zu haben, aber jetzt sitze ich hier und lausche meinen Nachbarn und denke. Und denke. Und denke.