MonatApril 2022

Get over it

Es ist doch eigentlich alles in Ordnung. Klar, dass mein Laptop irreparabel kaputt ist, ist ein Minus, aber das stört mich tatsächlich nicht so wie es könnte – wohl ein Zeichen dafür, dass die Dinge gerade tatsächlich gar nicht mal so schlecht stehen. Trotzdem liege ich im Bett, starre an die Decke, aus dem Fenster, kann nicht aufstehen. Draußen scheint die Sonne, ich betrachte ihre Wanderung vom Sofa aus. Ich habe Zeit, ich könnte Schritt für Schritt an meinen Aufgaben arbeiten, ganz ohne Stress. Was ist mein Problem?

Pakistan hat mich, wenn ich ehrlich bin, wenig inspiriert. Ich habe überlegt, ob ich mich tätowieren lassen soll, wie ich das sonst so tue wenn ich länger weg bin – obwohl das letzte Mal nun auch erst knapp ein halbes Jahr her war – aber erst wusste ich nicht was und dann konnte ich es nicht so recht überzeugt vertreten. Ich bereue nicht, gegangen zu sein, es war schön – zum Großteil. Ich habe auf jeden Fall viele neue Einblicke in Dinge gewonnen. Aber es hat nichts in mir ausgelöst, ich habe mich viel allein gefühlt. Ich bin fasziniert von den engen Familienstrukturen des Landes und gleichzeitig dankbar darüber, dass ich diese Einschränkung nicht habe.

”I hope she can travel to all the places she wants to go.” ”Oh, sure she can. Her family’s hella rich.” ”Of course she’s got the means, but if her family doesn’t let her explore things on her own, go by herself, then that’s got nothing to do with her resources” ”Financially, that’s not a problem.” But it’s not about finances, is it? If she’s expected to marry and have children by a certain age and the alternative is to be shunned by her family, there’s no space for a young woman to travel around the world all on her lonesome. What’s more, even if she does it, she won’t be able to fit into these structures anymore. I may not have money, but at least I have this freedom. Dafür war ich dann doch dankbar. Klar, wenn ich irgendwo im Dschungel verloren gehe interessiert das hinterher niemanden, aber das ist okay, wenn ich dafür in den Dschungel kann.

Get up, get over it, your life is fine, you’re just lacking some basic chemicals in your brain.

Letzte Nacht

Ich wate durch die Überreste meiner Kleider von gestern Nacht wie durch ein Schlachtfeld. Hier ein Rock, ein paar Meter weiter eine Leggings. Ein Glas mit einem letzten Schluck Rosé steht auf einem Mario Bros-Untersetzer, ein zweites, leeres, Glas neben Donkey Kong. Die Flasche ist schon weg, das Sofa verrutscht. Mehrere aufgerissene Kondompackungen liegen auf dem Nachttisch. Irgendeine orangefarbene Flüssigkeit verziert in Tropfen meinen Laminatboden. Ein Kabel fehlt. Geisterhafte Spuren eines zweisamen Rendezvous, die schneller wieder aufgeräumt als sie entstanden sind. Ich sitze in meinem Sessel, lasse den Blick schweifen und verweile noch ein bisschen in den Träumen von letzter Nacht. Fingerspitzen auf nackter Haut; Küsse sanft, leise, fordernd. “Es ist schön mit dir”, flüstere ich und kriege keine Antwort. Aber als ich den Kopf hebe und sehe, wie du mich mit großen, hellen Augen anschaust, werden Worte überflüssig.

Wir stehen in der Küche, Licht gedimmt, Weinglas in der Hand. Du an meinen Kühlschrank gelehnt, ich an den Herd gegenüber. Ich schaue zu dir hoch, als unser Gespräch eine Pause macht und bevor ich dazu ansetzen kann, etwas zu sagen, singt Avril Lavigne aus dem Wohnzimmer Cause I’m in love with you, yeah I’m in love with you. Weiß nicht, ob ich dazu einen Witz machen soll oder nicht, peinlich berührt lächeln vielleicht, schaue dich weiter an und kann dein Gesicht nicht lesen. Dann nimmst du den Faden wieder auf und der Moment ist vorbei, ich nippe an meinem Rosé.

Let’s go to bed before we talk about our feelings. Du schaust mich so an, ich weiß nicht, was du suchst, aber ich denke sag es nicht. We just had sex and I think you’re beautiful but I can’t hear these words right now. Weiß nicht, ob das jemals deine Intention war oder vielleicht hast du meinen Blick gelesen, du sagst nichts. Und ich denke was will ich sagen? Nichts, will mich einfach nur im Kontakt mit deiner Haut verlieren, deine Finger in meinen Haaren spüren.

I’m so lost in you and yet I don’t know how I feel.