Guten Morgen!
Tag 1. Der Wecker klingelt. Wie jeden Morgen bin ich erstmal verwirrt. Dann schalte ich den Alarm aus, stehe auf, watschle ins Bad und putze mir die Zähne.
Zumindest stelle ich mir in den zehn Minuten, die ich noch wach bin, bevor ich mich wieder umdrehe, vor, wie das wäre, würde ich jetzt tatsächlich ins Bad gehen. Stattdessen schlafe ich einfach wieder ein. Ganz normal.
Um 15h luge ich noch einmal vorsichtig unter meiner Bettdecke hervor und ärgere mich darüber, dass es bei dieser Vorstellung blieb. Aus Frustration halte ich erneut ein Nickerchen.
Bis ich mich schließlich dazu durchringen kann, mir wenigstens Frühstück zu machen, vergehen weitere zwei Stunden. Es ist jetzt 17h, ich sitze in der WG-Küche und muss mich den Herausforderungen sozialer Interaktion stellen. Das ist das Problem mit WGs, sie sind zwar praktisch und preiswert, bringen aber auch den Nachteil mit sich, dass man anderen lebenden Individuen weniger gut ausweichen kann.
Also lächle ich, nicke, tue so, als sei ich schon seit sieben Stunden wach und versuche das alles möglichst authentisch rüberzubringen.
Es funktioniert. Den meisten Leuten ist es sowieso egal, was man ihnen erzählt. Du könntest sagen „ach übrigens, heute Abend treffe ich mich mit Hitler zum Dinner“, wenn nur genug Enthusiasmus in der Stimme ist, fragt da keiner mehr nach.
Egal.
Viel wichtiger ist, dass ich unterdessen festgestellt habe, dass meine Milch eingefroren ist. Ich schneide sie auf, was mich zwar kein Stück klüger macht, mich aber davon abhält, mir einzugestehen, dass ich einkaufen gehen muss. Zur Sicherheit schaue ich nochmal in den Kühlschrank und in alle anderen erdenklichen Schränke auch. Mehr fällt mir nicht ein, um sinnvoll Zeit zu schinden.
Ich bin versucht, mich einfach wieder ins Bett zu legen, schaffe es aber tatsächlich (und das erstaunt mich selbst), mich davon zu überzeugen, meine Jacke anzuziehen. Bis ich letztendlich vor der Tür stehe, sind weitere anderthalb Stunden vergangen.
Also. Los geht’s.
Tür auf.
Kaltwindigdunkelmüderegenmama.
Tür zu.
Seufzen.
Tür wieder auf.
Schritt. Schritt. Okay, okay. Brodnudelnkäsewassermilch.
Hinterher beträgt mein Einkaufspreis etwas über 15€ und wenn ich nicht so lethargisch wäre, würde ich mir die Mühe machen, böse in die Gegend zu starren. Stattdessen starre ich einfach so vor mich hin, ohne böse zu sein.
Ich quetsche meine Waren in einen Rucksack, der mir Rückenschmerzen bereitet, stapfe davon und fühle mich ziemlich tapfer.
Zuhause bereite ich mir mit viel Herzblut eine Schüssel Cornflakes zu, in der Hoffnung, diesmal ohne menschlichen Kontakt davon zu kommen.
Ich habe Glück und kann mich ungestört wieder in mein Zimmer verkriechen. Denke ich zumindest, bis es an mein Fenster klopft.
Ich wünschte, das wäre eine unrealistische Aussage, aber leider wohne ich im Erdgeschoss. Prinzipiell kann mir jederzeit irgendein Depp ans Fenster klopfen. Was auch passiert.
„Ey“, tönt es.
„Ey“, töne ich zurück.
„Was machst du so?“
„So Dinge.“ – meine Universalantwort.
„Kiffen?“
Ich überlege. Kiffen ist ungesund, der Rauch schädigt die Lunge, das Zeug im Tabak, Nikotin, Teer (Teer! Was zum Teufel ziehen wir uns da eigentlich rein?!) macht sowieso alles kaputt, es kann psychisch abhängig machen und bei einigen Menschen ist es in der Lage, Psychosen auszulösen. Die Chance auf einen schlechten Trip, der mich umhaut, ist durchaus vorhanden. Abgesehen davon hab ich diese Woche schon drei mal geraucht. Es spricht also alles dagegen.
„Klar“, sage ich.
Da es vielleicht unhöflich ist, eine Konversation schon nach zehn Worten zu beenden, reden wir noch ein wenig weiter. Ich glaube, mein Gesprächspartner ist dahinter gekommen, dass ich ihn angelogen habe bezüglich meiner heutigen Aktivitäten, denn irgendwann fragt er:
„Sag mal, bist du eigentlich depressiv oder so?“
Woraufhin ich natürlich antworte: „Nö, du?“
Jetzt mal ehrlich.